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Gewerkschaften setzen die Messlatte an

DGB und LINKE verabschieden vor der Europawahl gemeinsames Positionspapier

  • Ina Beyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenige Tage vor der Europawahl haben der Deutsche Gewerkschaftsbund und die Partei DIE LINKE gestern in Berlin ein gemeinsames Positionspapier vorgestellt. Darin fordern sie ein gerechteres und soziales Europa, in dem der Schutz der Grundrechte vor der Freiheit des Marktes steht.

Es war ein bemerkenswert offizieller Auftritt am Dienstagmorgen in der Zentrale des DGB in Berlin. Die beiden deutschen Chefgewerkschafter Michael Sommer (DGB) und Frank Bsirske (ver.di) traten dort gemeinsam mit den Spitzen der LINKEN – den beiden Bundestagsfraktionsvorsitzenden Oskar Lafontaine und Gregor Gysi sowie Parteichef Lothar Bisky – vor die Vertreter der Medien. Nur wenige Tage vor der Europawahl am kommenden Sonntag stellten sie ein gemeinsames Positionspapier vor, mit dem sie für ein sozialeres und gerechtes Europa eintreten wollen.

Gefordert wird darin, eine soziale Fortschrittsklausel in den Europäischen Verträgen festzuschreiben. Damit soll der Vorrang der sozialen Grundrechte vor den Binnenmarktfreiheiten gewährt werden. Wirtschaftliche Freiheiten wie die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dürften keinen Vorrang vor sozialen Rechten und Prinzipien erhalten, heißt es in dem Papier.

Der Europäische Gerichtshof hatte in der Vergangenheit dagegen mehrere Urteile verabschiedet, die zu Ungunsten der europäischen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gehen. So wurden mit dem »Viking«-Urteil das gewerkschaftliche Streikrecht eingeschränkt oder mit »Rüffert« die Anforderungen der Tariftreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für rechtswidrig erklärt.

Die EuGh-Urteile seien »nicht von bösen Richtern erfunden worden«, stellte Lothar Bisky, der auch Vorsitzender der Europäischen Linkspartei ist, klar. In ihnen werde die gegenwärtige Vertragslage interpretiert. Gregor Gysi sagte, es gehe darum, das Recht zu verändern. Dann sei auch der EuGh gezwungen, seine Rechtssprechung zu verändern.

DGB und LINKE wollen sich außerdem für eine Klarstellung der Entsenderichtlinie einsetzen. Das Recht entsandter Beschäftigter auf gleiche Arbeitsbedingungen und gleiche Löhne, wie sie arbeits- und tarifrechtlich am Einsatzort gelten, müsse verwirklicht werden, heißt es sinngemäß in dem Papier.

Nach Auffassung von DGB und Linkspartei ist die Garantie der sozialen Grundrechte »die zentrale Aufgabe des EU-Parlaments in der kommenden Legislaturperiode«. Die Abgeordneten der LINKEN im Europäischen Parlament wollen daher der Wahl der neuen EU-Kommission und ihres Präsidenten nur zustimmen, wenn sich beide für die Verankerung der sozialen Fortschrittsklausel und die Klarstellung der Entsenderichtlinie aussprechen.

Auf ein ähnliches Papier hatte sich der Gewerkschaftsbund tags zuvor mit den Grünen geeinigt. Bereits Anfang Mai war ein gemeinsames Positionspapier mit der SPD verabschiedet worden. Dafür hatte der DGB seinerzeit Kritik einstecken müssen. Befürchtet wurde etwa, dass die Krisenproteste, zu denen der DGB mehr als 100 000 Menschen auf die Straße brachte, für den Wahlkampf der SPD instrumentalisiert werden könnten. Andere Stimmen erhoben sich, die gerade die Sozialdemokratie als Anführerin beim Kurs weg von der neoliberalen Politik, die sie selbst unter Rot-Grün noch vorangetrieben hatte, als unglaubwürdig empfanden – und damit in der Konsequenz auch den DGB.

Bei dem Papier habe es sich jedoch nicht um eine »Exklusivveranstaltung« mit der SPD gehandelt, betonte ver.di-Chef Frank Bsirske. Dass man durch den gemeinsamen Auftritt mit der LINKEN praktisch deren Wahlkampf unterstütze, wies Michael Sommer zurück. Man werde auch weiterhin Wahlkampfzeiten nutzen, um auf gewerkschaftliche Forderungen aufmerksam zu machen, sagte der DGB-Chef. Eine »Wahlempfehlung« gebe es von Seiten des DGB nicht.

Nun müsse es aber um die Umsetzung der Forderungen gehen, sagte Frank Bsirske. »Daran werden sich alle messen lassen müssen.« Das ist vielleicht keine direkte Wahlempfehlung, eine indirekte ist es womöglich schon. Man habe auch mit Union und FDP das Gespräch gesucht, sagte Michael Sommer, dies jedoch ohne Erfolg. Die FDP habe nicht einmal reagiert. Könnte man indes eine Verständigung mit der CDU erreichen, so Frank Bsirske, man würde sogar »einen Tag vor der Wahl« noch einen Pressetermin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel machen.

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