HRE wird Staatsbank

Bund peilt 90 Prozent an / Kleinaktionäre kritisieren »undemokratisches« Vorgehen

  • Grit Gernhardt
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bund hat die wichtigste Hürde für die anstehende Verstaatlichung der Hypo Real Estate (HRE) genommen. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung am Dienstag in München erreichte er die Mehrheit der anwesenden Stimmen für eine geplante Kapitalerhöhung. Kleinaktionäre kritisierten das Vorgehen des Staates.

Verhaltene Freude bei den einen, Frust, Wut und Buhrufe bei den anderen – das sind die Ergebnisse der außerordentlichen Hauptversammlung des am Rande des Ruins stehenden Immobilienfinanzierers HRE. Gegen 13 Uhr am Dienstag stand fest, dass die Aktienanteile des Bundes in Höhe von 47,3 Prozent für eine einfache Stimmenmehrheit auf der Versammlung ausreichen. Damit ist der Weg zur ersten Verstaatlichung einer Bank seit dem Zweiten Weltkrieg frei. Rund 95 Prozent aller HRE-Anteilseigner hätten an dem Treffen teilnehmen müssen, um dieses Ergebnis noch zu gefährden. Es kamen aber nur knapp über 74 Prozent, auch der nach dem Bund größte Einzelaktionär, die Investorengruppe um den US-Amerikaner J.C. Flowers, die 14 Prozent des Unternehmens hält, blieb der Versammlung fern.

Der nächste Schritt soll nun eine Kapitalerhöhung von bis zu 5,6 Milliarden Euro sein. Dabei werden so viele neue Aktien ausgegeben und anschließend an den Bund verkauft, dass dieser seinen Anteil auf 90 Prozent steigern kann. Damit kann er die restlichen Aktionäre durch ein sogenanntes Squeeze-out herausdrängen. Mit der Abstimmung wurde wegen zahlreicher Wortmeldungen und teils hitziger Zwischenrufe erst in den Abendstunden gerechnet.

Mehrmals artete die Hauptversammlung in heftige Tumulte aus, als empörte Kleinanleger ihrer Wut Luft machten und mit dem Bankmanagement und der deutschen Bankenaufsicht hart ins Gericht gingen. Von einem »Schauspiel« sprach Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz; Harald Petersen von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger hielt die Versammlung für die »schwärzeste Stunde des deutschen Kapitalmarktrechts«. Es könne nicht sein, dass sich der Staat aufführe wie eine »Heuschrecke«. Andere Kleinanleger schleuderten dem Podium die Worte »Ermächtigungsgesetz«, »Erpressung« und »Diktatur« entgegen – sie verlieren bei einer Verstaatlichung einen Teil ihrer Ersparnisse.

Das vermeintlich undemokratische Vorgehen des Bundes wurde scharf kritisiert. Man wolle juristische Auseinandersetzungen mit den Altaktionären vermeiden und sie deshalb herausdrängen, so Bergdolt. Im Namen der Kleinaktionäre appellierte sie an den staatlichen Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin), auf den Squeeze-out zu verzichten. Der Bund halte auch mit 90 Prozent der Aktien alle Fäden in der Hand.

Dass bei der Versammlung Bild- und Tonaufnahmen verboten waren, sahen die Anleger als weiteren Beweis für undemokratisches Vorgehen. »Es kann nicht sein, dass die Bank im Hinterzimmer verstaatlicht wird«, sagte ein Aktionär. Zu Beginn des Treffens hatten Kameraleute und Fotografen den Saal verlassen müssen.

HRE-Chef Axel Wieandt hatte bei dem Treffen für die Verstaatlichung geworben. Für die Beteiligung des Bundes gebe es keine »realistische Alternative«, da die HRE allein nicht überlebensfähig sei. Sie sei trotz bereits in Anspruch genommener Garantien und Bürgschaften über gut 100 Milliarden Euro nicht über den Berg. Wieandt hatte die Leitung des Immobilienfinanzierers im Herbst 2008 übernommen und soll ihn nach der Verstaatlichung weiter lenken.

Der Chef des SoFFin, Hannes Rehm, kündigte derweil an, die HRE so rasch wie möglich wieder privatisieren zu wollen. Dies sei aber erst möglich, wenn die Bank sich wieder komplett über den Kapitalmarkt refinanzieren könne, sagte Rehm der »Süddeutschen Zeitung« (Dienstagausgabe). Dazu seien zwei bis drei Jahre nötig. Die vollständige Übernahme sei notwendig, um schnell handeln zu können.

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