Seit Monaten verhandelt die IG BAU mit den Arbeitgebern über Lohnsteigerungen, eine stufenweise Angleichung der Ostgehälter an die im Westen sowie für die Einführung eines Tarifvertrags für eine zusätzliche Altersvorsorge. Nun stocken die Verhandlungen. In vier Runden konnten die Gewerkschaft und die Arbeitgeber keine Einigung erzielen, der fünfte Termin wurde von letzteren kurzerhand abgesagt.
Die IG BAU will 8,7 Prozent mehr Lohn für die gewerblichen Beschäftigten durchsetzen. In den kommenden Jahren soll nach ihren Vorstellungen auch die Lohngruppe 1 auf 10 Euro angehoben werden. Bislang beträgt der Stundenlohn in der untersten Lohngruppe, die dem gesetzlichen Mindestlohn im Gebäudereinigerhandwerk entspricht, 8,15 Euro (West) beziehungsweise 6,58 Euro (Ost). Das Ostniveau liegt damit noch deutlich unter dem vom DGB geforderten – ohnehin kargen – Mindestlohn von 7,50 Euro.
20 Jahre nach dem Fall der Mauer müsse endlich der Grundsatz »Gleicher Lohn für gleiche Arbeit im gleichen Land« verwirklicht werden, bringt der Branchenverantwortliche im IG BAU-Vorstand, Frank Wynands, die Motive der Gewerkschaft auf den Punkt.
Die Gewerkschaft will zudem eine betriebliche Zusatzrente per Tarifvertrag durchsetzen. Ziel ist es, dadurch Armutsrenten im Alter zu verhindern.
Zu den Angestellten, für die die Tarifverträge nach Gewerkschaftsangaben derzeit brachliegen, zählen etwa Objektleiter und Verwaltungskräfte. Auch sie hätten einen Anspruch auf tariflich abgesicherte Bezahlung, garantierte Urlaubstage, Weiterbildung und vieles mehr, was nicht vom Gutdünken des Chefs abhängig sein dürfe, so Wynands, der die wirtschaftliche Lage der Branche als gut bezeichnet. Viele Unternehmen verzeichneten nach wie vor zweistellige Renditen. Die Arbeitgeber seien »die Trittbrettfahrer der Krise. Sie wollen nichts geben, obwohl sie von der Krise nur mittelbar betroffen sind«.
In den letzten Jahren häufen sich die Klagen über den Trend zum »Turbo-Putzen« und »Abstauben, Wischen und Saugen im Mega-Akkord«. Was früher in einer Schule acht Putzfrauen in vier Stunden geleistet hätten, das sei jetzt von zwei oder maximal drei Kräften zu bewältigen, berichtet eine Betroffene im Rhein-Main-Gebiet. »Die Beschäftigten bekommen zu wenig Zeit für zu viel Fläche, die gereinigt werden muss. Das ist kein Akkord; das ist Hetze«, berichtet die Duisburger Gewerkschaftssekretärin Zeynep Bicici. So seien etwa die rund 20 Reinigungskräfte im Moerser Hotel Van der Falk gezwungen, erheblich länger zu arbeiten. »Unterm Strich ist das eine knallharte Lohnkürzung. Wir befürchten, dass die Reinigungskräfte durch ihre unfreiwillige Mehrarbeit sogar unter den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn rutschen«, erklärt die Gewerkschafterin.
Das stürmische Wachstum der Gebäudereinigerbranche seit Ende der 80er liegt vor allem darin begründet, dass zahlreiche Firmen und Behörden die Reinigung ausgegliedert bzw. an Fremdfirmen vergeben haben. Ein Reinigungsunternehmer kann auch in Deutschland Millionär werden, wenn er durch Beziehungen an entsprechende Aufträge herankommt und sich durch massiven Druck auf Löhne und Sozialleistungen seiner Beschäftigten eine erkleckliche Rendite sichert. Zu den Großen der Branche zählen Konzerne wie Piepenbrock, Wisag, ISS oder Dussmann mit jeweils fünfstelliger Belegschaftszahl. Die IG BAU verzeichnet seit Jahren in diesem Bereich einen Mitgliederzuwachs und ist vor allem in größeren Reinigungsfirmen an Flughäfen und in Krankenhäusern gut organisiert.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/149929.turbo-putzen-im-mega-akkord.html