Abschiebung nach Hanoi

Proteste am Flughafen Berlin-Schönefeld

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Flüchtlingsinitiativen, darunter die Flüchtlingsräte von Berlin und Brandenburg, wollen am Montag gegen die geplante Sammelabschiebung von rund 100 Vietnamesen nach Vietnam protestieren. Die Bundespolizei und die europäische Grenzschutzagentur Frontex haben für diesen Tag eine Sondermaschine der Air Berlin von Schönefeld nach Hanoi gechartert (ND berichtete). Nach Informationen des Berliner Flüchtlingsrats soll die Maschine um 17 Uhr starten. Abgeschoben werden sollen rund 80 Vietnamesen, die in den letzten Jahren nach Deutschland kamen und deren Asylbegehren abgelehnt wurden. Dazu kommen 20 Vietnamesen aus Polen, wie Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) erklärte.

Unter den Abzuschiebenden sind weder ehemalige Vertragsarbeiter der DDR noch Bootsflüchtlinge, die um das Jahr 1980 herum in die alten Bundesländer flohen. Sie und ihre Kinder haben mittlerweile oft sogar einen deutschen Pass. Es handelt sich vielmehr um eine neue Gruppe von Vietnamesen aus dem vom Aufschwung in Fernost abgehängten Zentralvietnam, die von ihren Familien zum Geldverdienen nach Europa geschickt werden.

Vietnamesen sind nach Menschen aus Irak und der Türkei die drittgrößte Gruppe von Asylbewerbern in Deutschland. Kaum jemand erhält tatsächlich Asyl. Massenabschiebungen nach Vietnam gibt es mehrmals im Jahr, zuletzt Mitte Januar ab Frankfurt am Main. Ab Berlin ist es seit über zehn Jahren hingegen die erste.

Druck auf Air Berlin

Nicht mit unter den Aufrufern der Kundgebung am S-Bahnhof Schönefeld sind vietnamesische Vereine. Son Thach von der Vereinigung der Vietnamesen in Berlin und Brandenburg sagt: »Natürlich bewegt es uns, dass so viele Landsleute abgeschoben werden. Aber wir lesen so oft in der Zeitung über Abschiebungen und auf der anderen Seite über Schlepperbanden, dass man da mit der Zeit auch abstumpft.« Zudem vertrete sein Verein die ehemaligen Vertragsarbeiter der DDR. »Zu den Asylbewerbern aus Vietnam haben wir absolut keinen Kontakt.«

Antje Simnack vom Brandenburger Flüchtlingsrat ist nicht glücklich über den Ort der Kundgebung. »Wir wollten direkt auf dem Flughafengelände demonstrieren.« Doch das hat die Flughafengesellschaft abgelehnt. »Es hieß, das sei Privatgelände«, sagt Simnack.

Flughafensprecher Eberhard Elie bestätigt das Verbot gegenüber ND und beruft sich auf Verkehrsprobleme. »Wenn der Linienbusverkehr, Reisebusse und Taxen dort vorfahren, dann würde eine Demonstration vor dem Terminal zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Verkehrsflusses führen.« Das Demonstrationsrecht könne auch am S-Bahnhof wahrgenommen werden. Die verkehrspolitische Sprecherin der Linkspartei in Brandenburg, Anita Tack, findet jedoch: »Die Kundgebung gehört an den Ort des Geschehens. Die Begründung der Flughafengesellschaft ist fadenscheinig.«

Neben der Demonstration organsieren die Flüchtlingsorganisationen Druck auf die Fluggesellschaft. »Air Berlin will offenbar im 30. Jahr ihres Bestehens mit der ›Deportation class‹ ein neues ›Geschäftsfeld‹ eröffnen«, heißt es in einem Aufruf, Protestfaxe und Mails an das Unternehmen zu schicken. Damit soll erreicht werden, dass Air Berlin künftig auf die Durchführung von Abschiebungen verzichtet.

Kundgebung: 8. Juni, 15 Uhr, S-Bahnhof Berlin-Schönefeld
www.fluechtlingsrat-berlin.de

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal