Ist keine Stundenzahl im Vertrag vereinbart, gilt Vollzeitarbeit

Bundesarbeitsgericht

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Der Mann hatte bei der Firma einen recht flexiblen Arbeitsvertrag unterschrieben. Darin stand keine feste Wochenstundenzahl. Statt dessen hieß es, der Angestellte werde »nach den betrieblichen Bedürfnissen flexibel eingesetzt«. In den ersten Jahren kam der Arbeitnehmer auf über 40 Stunden die Woche, doch dann war plötzlich nicht mehr soviel zu tun. Ab 2004 arbeitete der Mann weit weniger als 40 Stunden. Entsprechend gering fiel auch sein Gehalt aus.

Als der Mitarbeiter protestierte, meinte die Arbeitgeberin kühl, laut Arbeitsvertrag habe er nur eine Teilzeitstelle. Daraufhin zog der Angestellte vor das Arbeitsgericht und forderte, das Unternehmen müsse für die Jahre 2004 und 2005 die Differenz zum früheren Vollzeit-Gehalt ausgleichen. (Az: 5 AZR 715/07)

Darauf habe er einen Anspruch, entschied das Bundesarbeitsgericht: Teilzeit müsse in einem Arbeitsvertrag eindeutig verabredet sein, ansonsten sei von Vollzeit auszugehen. Werde, so wie hier, im Vertrag keine bestimmte Stundenzahl vereinbart, gelte automatisch der Tarifvertrag. Und der sehe als wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt 40 Stunden vor. Das Wort »flexibel« könne sich allenfalls auf die Verteilung der Arbeitszeit beziehen.

u Variables Gehalt

Die Gruppenleiterin in dem Großhandelsunternehmen bezog ein jährliches Grundgehalt von 36.000 Euro brutto. So richtig lohnte sich ihr Job erst mit dem zusätzlichen variablen Jahresgehalt. Angepeilt wurden da weitere 25.000 Euro, abhängig davon, ob bestimmte Umsatzziele erreicht wurden. Jedes Jahr handelte die Frau mit dem Arbeitgeber dafür eine Zielvereinbarung aus.

Das klappte in den ersten Jahren recht gut, doch als die Umsatzzahlen zurückgingen, konnten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmerin ab dem Jahr 2004 nicht mehr einigen. Das Angebot des Unternehmens, die Zielvereinbarung von 2003 zu übernehmen, lehnte die Frau ebenso ab wie den Vorschlag, das Grundgehalt abzusenken und den Anteil des variablen Gehalts zu erhöhen.

Nach ihrer Kündigung im Jahr 2006 verlangte die Arbeitnehmerin nachträglich variables Gehalt (70.000 Euro). Das Bundesarbeitsgericht gab der Arbeitnehmerin Recht: Stehe dem Arbeitnehmer laut Arbeitsvertrag zusätzlich zum Festgehalt variable Vergütung gemäß Zielvereinbarung zu, müsse der Arbeitgeber dafür sorgen, dass so eine Vereinbarung zustande komme (Az: 10 AZR 889/07).

Andernfalls schulde er ihm Schadenersatz (es sei denn, er sei für dieses Manko nicht verantwortlich). Im konkreten Fall habe der Arbeitgeber der Gruppenleiterin keine realistischen Zielvorgaben vorgeschlagen, zumal klar war, dass die Umsatzzahlen der Vorjahre nicht erreicht werden konnten. Den Fixbetrag zu senken, sei außerdem eine Vertragsänderung und keine Zielvereinbarung.

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