Tanz auf den Fässern

Auf Gedeih und Verderb mit Lazzo Mortale im Amphitheater

  • Lucía Tirado
  • Lesedauer: 3 Min.
Tanz auf den Fässern

Derb und deutlich. Die Commedia dell'arte lässt nichts offen. So soll es sein, denn die berlinisch-römische Gruppe Lazzo Mortale, die bis Ende Juni zu Gast beim Hexenkessel-Hoftheater ist, hält sich mit der Aufführung »George Dandin oder der bestürzte Ehemann« an Regeln der im 16. Jahrhundert erfundenen Spielkunst.

Herr Molière, der werte Autor, mit dem die zehn Darsteller 15 Jahre lang am Theater Petit Bourbon in Paris gearbeitet hätten, könne wegen dringender Verpflichtungen nicht dabei sein, lassen die Künstler wissen. Aber er habe die Komödie zur Verfügung gestellt und gesagt »Macht damit, was ihr für richtig haltet, ich spiel das Stück nicht mehr«. Gesagt, getan. Mit »Dandin« feierte die zweite Inszenierung der Amphitheater-Saison im Monbijoupark Premiere. Wie einst ruht die Bühne auf Holzfässern. Dem Hausherrn geht es bestens. Was fehlt, ist eine adlige Frau zum Angeben. Die kauft sich der Spießer. Von nun an geht's bergab. Regisseur Alberto Fortuzzi und Chef des Commedia-dell'arte- Ensembles spielt selbst und zum großem Vergnügen des Publikums den Trottel Dandin.

Fortuzzi baute zusammen mit Rosa Masciopinto geschickt aktuelle Alltagsthemen ins Stück. Diese widmen sich Gier, Dummheit, Lüge und anderen menschlichen Eigenschaften, die sich seit Erfindung der Commedia dell'arte nicht geändert haben. Überdies singen die Komödianten immer währende Lebensweisheiten. Allerdings hat man zu »Schmiede das Eisen, solange es glüht...« kaum Menschen so schön tanzen sehen. Und zu einem Lied, nach dem der Staat zum Einsatz gelangt, um die Banken zu retten, denn »der Spekulant kommt nie in Ketten« sicher noch nie. So wird die alte Theaterkunst zum Spiegel heutiger Zeit und bleibt beim Vorsatz, über das Leben zu lachen und dem Volk was vorzumachen. Napoleon verbot die Commedia dell'arte, als er Norditalien besetzte.

Immer noch um Gedeih und Verderb geht es heute. Der Name Lazzo Mortale bedeutet nicht mehr als »Wenn Sie nicht lachen, haben wir nichts zu essen...also ich meine...früher oder später...«, verrät der nie gespielte Prolog. Die Komödianten sind originell geschminkt. Dieser aufwendigen Arbeit widmen sich Claudia Rotoli, Ulrike Bast und Andreas Köhler. So ausgestattet, wird bei den Gesten dick aufgetragen. Die Zuschauer erleben, wie die gekaufte Braut Angelique (Sylke Hannasky) sich ihr Leben einrichtet, wenn sie mit ihrem Liebhaber Clitandre (Christoph Bernhard) auf »nächtliche Pilgerfahrt« geht. Man sieht, wie der Betrogene sich gegen die mit Lügen gespickte Umwelt zu wehren versucht, sich von den Schwiegereltern (Sonja Jehle, Stepan Bootz) ausnehmen lässt. Yuka Yanagihara gibt die Gesangsrolle der Selene als eine der Parzen mit schöner Stimme. Dante Borsetto begleitet das Theater am Akkordeon. Bei allen Pleiten ist viel Lebenslust im Spiel. Das Publikum kann sich in kühlen Nächten mit Decken »verkleiden«, damit es allein vor Lachen zittert. Beispielsweise über das Dienervolk. So ulkig sind Teresa Waas als Claudine und Thorbjörn Björnsson als Lubin.

Bis 27.6., Di.-Sa. 21.30 Uhr, Amphitheater, Eingang Monbijoustraße, Mitte, Karten-Tel.: 47 99 74 41, www.amphitheater-berlin.de

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