Nur noch Samenspender

Der entsorgte Vater von Douglas Wolfsperger

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn von einer knappen Viertelmillion neuer Trennungswaisen pro Jahr volle 40 Prozent den Kontakt zum – ohnehin meist nicht sorgeberechtigten – Vater innerhalb eines Jahres verlieren, liegt das nicht immer an den Vätern. Es kann im Einzelfall auch daran liegen, dass die betroffenen Mütter nach der Scheidung oder Trennung jede Spur des Ex-Partners nicht nur aus dem eigenen, sondern möglichst auch aus dem Leben ihrer Kinder löschen möchten. Und daran, dass deutsche Familiengerichte diesem zwar verständlichen, aber höchst egoistischen Wunsch offenbar nur selten wirksame Auflagen entgegensetzen.

Dokumentarfilmer Douglas Wolfsperger (»Bellaria – so lange wir leben!«) ist so ein Vater. Als seine Tochter Mitte der Neunziger geboren wurde, war er nicht verheiratet. Dass er deshalb gut daran getan hätte, noch vor der Geburt des Kindes für den Fall des Scheiterns seiner Beziehung ein gemeinsames Sorgerecht zu beantragen, wurde ihm erst später klar. Da war seine Freundin mit dem einjährigen Kind bereits aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen, während Wolfsperger sich auf Recherche-Reise zu einem Filmprojekt befand. Seine Tochter bekam er von da an nur noch selten zu Gesicht. Als sie elf Jahre alt war, beraumte das Gericht einen Termin an, an dem sich der Vater förmlich von seinem Kind verabschieden sollte. Zum Wohl des Kindes, wie es hieß, das im Loyalitätskonflikt zwischen Mutter samt neuem Ehemann auf der einen Seite und den emotionalen Ansprüchen seines biologischen Vaters auf der anderen wohl nur für die Mutter entscheiden konnte.

Parental Alienation Syndrome, elterliche Entfremdung, nennen manche Kinderpsychologen das, wenn der offensichtliche Wunsch des einen Elternteils, den anderen ein für alle Mal loszuwerden, beim hin- und hergerissenen Kind dazu führt, dass es scheinbar spontan den Kontakt verweigert, um nicht auch noch den verbleibenden Elternteil zu enttäuschen und möglicherweise zu verlieren. Wolfsperger selbst sah zunächst rot, ließ sich vom neuen, offiziellen Vater seiner Tochter zu verbalen Ausfällen und einem unüberlegten Tritt hinreißen, und wurde mit gerichtlichen Strafen belegt. Seine ohnmächtige Wut gegenüber der Ex und ihrem neuen Partner, zu dem sein Kind jetzt Papa sagte, arbeitete er in einer Therapie ab. Als Ventil für frustrierte Vatergefühle und als Dokument der Rechtfertigung gegenüber seiner Tochter, die er ja nicht aus freiem Willen verließ – und für die er selbstredend weiterhin Unterhalt zahlt –, drehte er seinen Film.

»Der entsorgte Vater« ist keine ausgewogene Analyse eines emotional höchst komplexen Problems, sondern ein Pamphlet für die Gleichstellung väterlicher Rechte. Neben Wolfsperger kommen drei weitere Väter zu Wort, die ihre Ohnmachtsgefühle angesichts einseitiger Gerichtsentscheidungen und der steigenden Entfremdung von ihren Kindern mal mehr privat beklagen, mal offensiv in Väterrechtsvereinen vertreten. Und eine einzelne Mutter, die gewissermaßen »Serientäterin« ist: Ihre Tochter entzog sie dem Einfluss des Vaters mit Gewaltvorwürfen, von denen der Film offenlässt, wie wahr oder übertrieben sie sein mögen. Und ihr kleiner Sohn wächst schon deshalb vaterlos auf, weil sein Vater zu krank ist, um sich um ihn zu kümmern. Kein Gegengewicht also, kein Kommentar von der anderen Seite des emotionalen Abgrunds, sondern eine Bestätigung von Wolfspergers und der anderen »entsorgten« Väter schlimmsten Albträumen: eine Mutter, die die Väter ihrer Kinder als bloße Samenspender bezeichnet und ganz ausdrücklich die ausschließliche Interpretationshoheit über das beansprucht, was gut oder schlecht für »ihre« Kinder ist.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal