Weißwassers OB in Erklärungsnot

Neonazis bringen Kommunalpolitiker aus dem Konzept / Ruf nach permanenter Gegenöffentlichkeit

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Die extreme Rechte hat ihre Wahlziele bei den Europa- und Kommunalwahlen am vergangenen Wochenende zwar nicht erreicht, aber ihr Einzug in immer mehr kommunale Parlamente sorgt zunehmend für Warnungen und eine irritierte Öffentlichkeit.

In Weißwasser gab es die ersten Schlagzeilen, noch bevor der erfolgreiche NPD-Kandidat das erste Mal im Stadtrat Platz genommen hat. Der parteilose Oberbürgermeister Hartwig Rauh, der ihm Kooperation angeboten hatte, nahm das selbstgewählte Wort »Zusammenarbeit« zurück, sieht sich aber – sicher durchaus berechtigt – weiter in einer Zwickmühle. »Als Kreisrat kann ich den Saal verlassen, wenn die NPD eine Stellungnahme abgibt. Als Oberbürgermeister steht mir das nicht zu. Das ist das Dilemma«, zitierte ihn die Agentur dpa.

Gerade Kommunalvertreter, die das erste Mal mit den rechtsextremen Sitznachachbarn konfrontiert sind, suchen nun nach den »richtigen« Umgangs- und Verhaltensregeln. Die Praxis, Anträge der NPD grundsätzlich abzulehnen und zu ihnen nur je einen Fraktionsvertreter reden zu lassen, habe sich bewährt, empfiehlt der Fraktionschef der CDU im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns, Harry Glawe, im Stil einer Quarantänebehörde. Dass dieser nicht den Kern des Problems berührt, ist womöglich auch Glawe bewusst. Besonders auf die Befürchtung, dass aus den einstigen Protestwählern mittlerweile Stammwähler der Rechten geworden seien, weisen Kommentatoren hin.

Umso besorgter zeigt sich der Zentralrat der Juden in Deutschland, der vor einem weiteren Erstarken der Neonazis warnt – gerade mit Blick auf Mecklenburg-Vorpommerns. Dort »ist die NPD schon gesellschaftsfähig«, sagte Generalsekretär Stephan Kramer der »Passauer Neuen Presse«.

Westen blieb weitgehend verschont

In den Kommunen von sieben Ländern haben die Wähler entschieden – Thüringen, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Saarland, Baden Württemberg und Rheinland-Pfalz. Besonders erfolgreich war die NPD allerdings in den östlichen.

In Mecklenburg-Vorpommern erreichte die Partei am vergangenen Sonntag teilweise Ergebnisse über 20 Prozent. Ihre Vertreter sind nun in neun der zwölf Kreistage und in den Parlamenten von vier der sechs kreisfreien Städte vertreten. In Sachsen-Anhalt verlor die NPD in bisherigen Hochburgen, vervierfachte aber die Zahl der Parlamente, in denen sie vertreten ist. In Thüringen erreichte die Partei 3,1 Prozent der Stimmen, während sie im Saarland in nur zwei Stadtparlamente einzieht; die Kommunalvertretungen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz bleiben weitgehend neonazifrei.

Zweifellos profitierte wie andere Parteien auch die NPD davon, dass in allen sieben Bundesländern ohne die umstrittene Fünf-Prozent-Hürde abgestimmt wurde. Dennoch bewerten antifaschistische und Opferberatungsstellen das Abschneiden der NPD als alarmierend. Das trifft besonders auf Sachsen zu, wo die Partei 72 sich in Stadt- und Gemeinderäten platzierte. Damit verdreifacht sich die Zahl ihrer Abgeordneten gegenüber der Wahl von 2004 nahezu. Es gebe nunmehr keinen Landkreis mehr, in dem die NPD nicht vertreten wäre, beklagt die Sprecherin für antifaschistische Politik der sächsischen LINKEN, Kerstin Köditz.

Dennoch: Bäume wachsen nicht in den Himmel

Die Resultate deuteten gleichzeitig darauf hin, dass die Bäume der Neonazis nicht in den Himmel wachsen, fügt Köditz in einer Erklärung an. Mit 3,2 Prozent holten diese in Mecklenburg-Vorpommern beispielsweise deutlich weniger Stimmen als bei der Landtagswahl 2006. Besonders dort, »wo konsequent, langfristig und entschlossen auf kommunaler Ebene gegen die extreme Rechte gearbeitet und das Thema zum Gegenstand öffentlicher Debatte gemacht worden ist«, habe die NPD herbe Rückschläge hinnehmen müssen. So hätten die Neonazis in ihrer Hochburg Wurzen eines ihrer drei Mandate verloren, in Limbach-Oberfrohna habe sich ihr Anteil nahezu halbiert.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal