Erfolge der letzten Jahre stehen auf dem Spiel

Die Kinderarbeit weltweit nimmt zu – die Wirtschaftskrise verschärft das Problem noch

  • Knut Henkel
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Zahl der Kinderarbeiter steigt nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weiter. Anlässlich des Welttags gegen Kinderarbeit in dieser Woche forderten die ILO und Kinderschutzorganisationen deshalb mehr Hilfe von der internationalen Gemeinschaft.

Elenar Eznicor kennt die harte Realität unter Tage. Mehrere Jahre hat der 14-Jährige mit den dunkelblonden, kurz geschorenen Haaren erst mit seinem Vater und dann alleine mit Hammer und Meißel pechschwarze Kohle aus dem Berg gekratzt. Kohle ist nahezu das Einzige, was Amagá zu bieten hat. Amagá ist eine kleine westkolumbianische Stadt, rund eine halbe Stunde entfernt von Medellín. Schon seit Jahrzehnten wird dort gebuddelt.

Zunächst wurde die Steinkohle von kleinen Kollektiven, später von größeren Unternehmen und nun von windigen Unternehmern aus den Bergen der Umgebung geholt. Winzig und oftmals kaum gesichert sind die Stollen, die in die Berge getrieben wurden. »Immer wieder werden Kinder eingesetzt, denn ausgewachsene Männer können hier nur gebückt arbeiten und Kinder kommen oftmals mit weniger Sauerstoff aus«, erklärt Mauricio Torre. Seit rund fünf Jahren arbeitet der 44-jährige Sozialarbeiter in Amagá und versucht, die Kids aus den Stollen zu holen.

Amagá ist nur ein Beispiel für die anhaltende Kinderarbeit in Kolumbien. Diese nimmt zu, kritisieren kolumbianische Kinderschutzorganisationen, oftmals seien die Übergänge fließend. Bei Elenar war es der Vater, der ihn mit in die Mine nahm. Auch bei den Marktfrauen in der Hauptstadt Bogotá sind oftmals die eigenen Kinder bei Verkauf und Verladung der Waren mit von der Partie – Jungen genauso wie Mädchen.

Letztere werden in Kolumbien, aber auch im benachbarten Peru oder Bolivien oftmals als Hausmädchen vom Land in die Stadt geschickt, um einen Esser weniger am Tisch zu haben. Eine Tendenz, die eher zu- als abnimmt, kritisiert die Kinderhilfsorganisation Terre des hommes.

Ein Grund dafür ist aktuell der Verlust von Arbeitsplätzen für Erwachsene, die angesichts der Wirtschaftskrise in den exportorientierten Industrien der Schwellenländer entlassen werden. Rund 50 Millionen Arbeitsplätze fallen weg, schätzt die ILO in ihrem aktuellen Bericht zur Kinderarbeit. Millionen Familien geraten unter Existenzdruck.

Der 10. Juni ist der Welttag gegen Kinderarbeit. In diesem Jahr stand er unter dem Motto »Gebt Mädchen eine Chance – aubeuterische Kinderarbeit stoppen«. Nach Angaben der ILO sind 45 Prozent – 100 Millionen – der Kinderarbeiter Mädchen. Rund zwanzig Millionen von ihnen seien jünger als zwölf Jahre. Die ILO schätzt, dass die Zahl angesichts der aktuellen Wirtschaftskrise noch steigen könnte. Die Erfolge der letzten Jahre in der Bekämpfung der Kinderarbeit stünden damit auf dem Spiel. Mädchen könnten davon stärker betroffen sein. Durch ihre Verpflichtung im Haushalt kämen sie oft gar nicht erst zur Schule.

Hürden, die den Schulbesuch generell und den der Mädchen im Speziellen erschweren, müssten abgebaut werden, mahnt deshalb auch Terre des hommes. »Wir müssen einen Schutzschirm für Kinder spannen«, appelliert die Kinderarbeits-Referentin der Organisation, Barbara Küppers. Unmittelbar wirksam wären etwa der Erlass von Schulgeld oder kostenlose Schulspeisungen.

Die Zahl der Minderjährigen insgesamt, die arbeiten müssen, beziffert Terre des hommes mit rund 217 Millionen. Davon malochen 126 Millionen Minderjährige als Schuldknechte, Sklaven oder unter lebensgefährlichen Bedingungen wie Elenar Eznicor.

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