nd-aktuell.de / 12.06.2009 / Politik / Seite 12

Bespitzelungen gehen weiter

Die Reaktion kam prompt. Kaum entzündeten sich die ersten Proteste Erwerbsloser, pfiff das von Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) geführte Bundesarbeitsministerium (BAMS) die Bundesagentur für Arbeit (BA) zurück. In einer gemeinsamen Presseerklärung hieß es: »Das BMAS und die BA sind sich einig, dass Observationen im Auftrag der BA nicht stattfinden.« Zuvor war eine interne Dienstanweisung bekannt geworden, die es den Sozialschnüfflern der Jobcenter erlaubte, bei Hartz IV-Beziehern künftig Observationen, Vernehmungen und weitere nachrichtendienstliche Ermittlungen vorzunehmen, ohne dass Betroffene darüber informiert oder gefragt werden. Das Erwerbslosen Forum Deutschland und Gegen-Hartz.de sprachen von »Stasimethoden« und kündigten die Beantragung eines gerichtlichen Verbots der Observationen an. Dass dafür in Deutschland noch immer Staatsanwaltschaft und Polizei zuständig sind, kam der BA offenbar nicht in den Sinn. Menschen auszuspionieren und auszugrenzen, statt ihnen bei der Jobsuche zu helfen, scheint seit Hartz IV die eigentliche Aufgabe der BA und der herrschenden Politik zu sein.

Der umstrittene Passus der jüngsten Dienstanweisung musste zurückgenommen werden. Aber die Denke hinter der Spitzel-Idee bleibt: Missbrauchsverdacht statt Unschuldsvermutung. Auch nach der Rücknahme der Observation müssen Hartz IV-Bezieher nach wie vor Sozialschnüffler in ihre Wohnung lassen, Kontoauszüge zeigen und gar Schränke öffnen – und das alles ohne richterlichen Durchsuchungsbeschluss. Ebenso dürfen Nachbarn, andere dritte Personen und die eigenen Kinder befragt werden, ohne dass beim Betroffenen eine Einwilligung eingeholt werden muss. Es ist sogar möglich, dass der so Bespitzelte davon niemals etwas erfahren muss. Deutlicher kann unser Staat nicht zeigen, welchen Stellenwert er armen Menschen zuweist. Kaum anzunehmen, dass unser Staat es sich wagen würde, die »Nieten in Nadelstreifen« ähnlich zu behandeln. Das Erwerbslosen Forum Deutschland will auch gegen den Rest der Anweisung juristisch vorgehen. Doch primär muss die Politik von Hartz IV und die dahinter stehende Denkweise wegkommen.

Martin Behrsing,

Erwerbslosen Forum Deutschland