Steinmeier macht den Schröder

SPD kurz vor Parteitag im Spagat zwischen Koalitionstreue und Wahlkampf

  • Gabriele Oertel
  • Lesedauer: 2 Min.
Wenn die SPD an diesem Wochenende ihren Wahlparteitag zelebriert, will sie ein geschlossenes Bild abliefern. Aber im schmerzhaften Spagat zwischen Koalitionstreue zur Union und Wahlkampf gegen dieselbe geben die Genossen derzeit keine gute Figur ab.

Selbst die mit den Füßen scharrenden Linken in der SPD sollen sich am Dienstagabend auf ein Stillhalteabkommen geeinigt haben. Nach der für die Sozialdemokraten desaströs verlaufenen Europawahl sah es am Montag kurzzeitig nach einem Aufstand aus. Aber vermutlich sind auch den als Parteilinke geltenden Genossen die Konsequenzen klar: Beschädigt man den Kanzlerkandidaten jetzt auch noch aus den eigenen Reihen, kann man die Landtags- und Bundestagswahlen ganz vergessen.

Vermutlich kann man das auch – nach derzeitigem Stand können die Sozialdemokraten froh sein, wenn sie sich im Herbst in einer Neuauflage der Großen Koalition wiederfinden. Dennoch verweist das SPD-Spitzenpersonal immer wieder beschwörend auf die beispiellose Schrödersche Aufholjagd 2005 und behauptet trotz des inzwischen peinlichen Herumdümpelns bei knapp über 20 Prozent, am 27. September doch noch stärkste Partei werden zu können. Was davon persönlich auferlegte Selbstsuggestion ist und was dringend zu behandelnder Wahrnehmungsverlust, sei dahingestellt. Klar ist nur, dass Frank-Walter Steinmeier – zuletzt zu besichtigen am Sonntag bei Anne Will – mitnichten der Ex-Kanzler ist. So sehr er sich in Stimme und Rhetorik bei seinen Auftritten bemüht, dem Ziehvater ein bisschen ähnlicher zu werden.

Das Original ist allgegenwärtig. Und offenbar erfolgreich. Denn die Empfehlung Gerhard Schröders an die Genossen, sich Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg von der CSU als Lieblingsfeind aufzubauen, scheint trotz mancherlei Warnungen aus der Demoskopenecke im Willy-Brandt-Haus auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein. Steinmeier jedenfalls hat am Mittwoch selbst aus Moskau gegen zu Guttenbergs »ordnungspolitische Grundsatzdebatten über Insolvenzen« gewettert, nachdem er den zuvor gar grundsätzlich an den ministeriellen Amtseid mit der Verpflichtung, Schaden vom Volk abzuwenden, erinnert hatte.

Doch so sehr der SPD-Kanzlerkandidat auch vermeintlich für die Arbeitsplätze bei Opel, Arcandor und all den anderen angeschlagenen Unternehmen in die Bütt steigt – freilich nicht ohne ganz in Schröderscher Manier darauf zu verweisen, dass es in seinem Elternhaus auch kein Klavier und keine Bibliothek gegeben habe –, so richtig Punkte macht er damit bislang nicht. Wenn ausgerechnet Hessens Ministerpräsident Roland Koch dem servilen Außenminister den Vorwurf »blindwütiger Angriffe« macht, kann das Steinmeier getrost in den Skat drücken. Wenn aber zu Guttenberg mit einem Aufruf zu Mäßigung und gegen einen Wahlkampf »zu Lasten der betroffenen Menschen« agiert, sollte der SPD-Kanzlerkandidat aufhorchen. Aber vermutlich ist die SPD-Spitze schon derart beratungsresistent, dass sie die immer dichter werdenden Einschläge nicht wahrnimmt. Gestern erst hat Parteichef Franz Müntefering mit beeindruckendem Altersstarrsinn erneut behauptet, die Hartz-Reformen seien richtig und erfolgreich gewesen ...

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