Mit Konzept gegen die Schulmisere

Der offene Streit um die Schulstrukturreform wurde im Abgeordnetenhaus ausgefochten

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Großen und Ganzen dreht sich seit Tagen im Schulstreit fast alles um dieselbe Frage: Wie soll künftig der Zugang zu den Gymnasien organisiert werden, wenn es mehr Anmeldungen als Plätze gibt? Von »Lottospiel« oder »Casino-Roulette« auf dem Rücken von Schülern wird da schwadroniert. Weil der Senat künftig bei zu vielen Anmeldungen 30 Prozent der Schüler fürs Gymnasium, aber auch für nachgefragte Sekundarschulen über ein Losverfahren bestimmen möchte, sehen manche gar das Abendland untergehen.

Gestern erreichte der bisher vornehmlich über die Medien ausgetragene Schulstreit das Abgeordnetenhaus: Und obwohl die Zugangsregelung nur ein Teil der Mammutaufgabe Schulreform ist, hievte die Opposition diesen Aspekt erneut ins Zentrum.

»Sie haben zwei sich völlig widersprechende Zugangsregeln zusammengepappt«, kritisierte etwa der CDU-Abgeordnete Sascha Steuer. Er meinte damit das Zusammenfügen des Leistungszugangs über die Schulleiter, nach der 60 Prozent der Schüler ausgewählt werden, sowie das Losverfahren. Steuer warf den rot-roten Koalitionären sogar vor, dass sie »die Gymnasien in der Stadt zerstören« wollen.

Weitaus weniger polemisch, aber durchaus energisch trug Öczan Mutlu für die Grünen die Kritik an den Senatsplänen vor. Wobei die Grünen grundsätzlich für die Schulstrukturreform sind – sich sogar als Vorreiter bei der Schaffung eines zweigliedrigen Systems sehen. »Es ist richtig, dass die Hauptschule und Selektionsinstrumente aus der Kaiserzeit wie das Sitzenbleiben abgeschafft werden«, sagte Mutlu. Aber nach den widersprüchlichen Debatten und Verhandlungen zwischen den rot-roten Koalitionspartnern in den vergangenen Wochen sei von der ursprünglichen Reformfreudigkeit nicht viel übrig. Neben dem Losverfahren monieren die Grünen vor allem das geplante Probejahr. Danach soll es den Gymnasien möglich sein, Schüler nach einem Jahr abzulehnen und wieder zurück auf die Sekundarschulen zu schicken.

»Das ist eine echte Kröte«, räumte auch Steffen Zillich von der Linkspartei ein. Dennoch sei der zwischen Rot-Rot ausgehandelte Rahmen für die Reform ein echter Fortschritt. Denn mit dem Vorhaben würde endlich ein Gesamtkonzept für die drei Hauptfaktoren der Schulmisere in Angriff genommen: dass die Leistungen der Schüler insgesamt zu schlecht sind, dass es zu wenige Abschlüsse gibt und – am wichtigsten – dass der Zusammenhang zwischen der sozialen Herkunft und dem Bildungserfolg endlich aufgelöst werde.

Schulen, die sich in besonders prekären Situationen befinden, stellte Zillich überdies eine bessere Ausstattung in Aussicht. Dass die Reform insgesamt finanziell stark untermauert werden soll, betonte ebenso SPD-Fraktionschef Michael Müller: »Wir stecken 411 Millionen Euro aus den Konjunkturprogrammen direkt in die Bildung.« Das Geld fließe in die bauliche Ausstattung, neues Personal sowie neue Sachmittel, so Müller.

Auch Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) stellte sich vorbehaltlos hinter seine Schulreform. Darüber hinaus hob er die Teile hervor, die seiner Meinung nach einmalig seien: Die Schaffung eines flächendeckenden Ganztagsangebots oder einer Sekundarschule, an der alle Abschlüsse bis hin zum Abitur erworben werden können. Zudem könnten die Schulen künftig selber entscheiden, welche Angebote sie machen wollen. Zöllner verteidigte auch das Probejahr und das gewählte Zugangsverfahren. »Es wird einen Qualitätssprung für das Schulsystem geben.«

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