nd-aktuell.de / 13.06.2009 / Kultur / Seite 14

PLATTENBAU

Sebastian Blottner

Wer aufmerksam Tourpläne verfolgt, hätte schon anfangen können, die 1995 in Lyon gegründeten Babylon Circus zu vermissen. Über Jahre hinweg machte die im Ska und Reggae verwurzelte Band nicht nur auf der Bühne ordentlich Druck, sondern auch in ihrem Terminkalender. Von New York bis London erspielten sie sich eine Fangemeinde. Und dann hörte man plötzlich nichts mehr von ihnen. Doch nun melden sie sich zurück. Mit »La Belle Étoile« – ihrem bisher besten Album.

Babylon Circus werden gern als Indie-Band bezeichnet, was auch immer das heute noch heißen mag. Fakt ist, dass die verrückte Combo hart gearbeitet hat. Energiegeladene Konzerte, unermüdliches Sich-den-Arsch-Abspielen, politische Texte und äußerst partytaugliche Mucke – so kommt eine Band vorbei am Mainstream nach oben.

Normalerweise hört man einer Band an, wenn sie dort angekommen ist. Die Musiker werden reifer, die Songs hörbar austariert. Für Babylon Circus’ neue Scheibe gilt das genauso. Wo jedoch andere einfach älter werden, begann die neue Etappe der Bandgeschichte von Babylon Circus mit einem Trauma: Haarscharf schlitterte Sänger David Baruchel am Tod vorbei, als er sich an einem Freitag, dem 13., beim Zigarettenholen in Moskau den Schädel aufschlug und sich auf einer Intensivstation wiederfand. Monate im Krankenhaus und Depressionen waren die Folge, selbst seine Muttersprache hatte er vorübergehend verlernt. Als er kurz davor war, aufzugeben, therapierte ihn die Band kurzerhand mit Bühnenbrettern. Im New Yorker Central Park stellte sie ihn wieder vor ein Publikum und die Genesung begann. Filmreif.

Die Band hätte ihn über Wasser gehalten, erzählt Baruchel heute. Nach etwa 20 Konzerten im Sommer 2007 begann die Arbeit am neuen Album. Aus diesem klingt die Nachdenklichkeit, die seine Erlebnisse hinterlassen haben, deutlich heraus.

Deutlich – gemessen am Maßstab Babylon Circus selbst. Wer die Gruppe nicht von früher kennt, würde nicht vermuten, dass auf diesem Album eine Band zur Ruhe gekommen ist, einer Ruhe, die ihr sehr gut tut wohlgemerkt. Ihre Musik ist weniger aggressiv geworden, und das heißt für eine Band wie Babylon Circus: Man muss nicht mehr 17 oder bei Attac aktiv sein, um das auf seiner Party in den CD-Player schieben zu können.

Denn so melancholisch-chansonett »La Belle Étoile« beginnt, so bewusst wird in alter Manier der Marsch über die Tanzfläche angetreten. Die Themen sind nun eher im Alltag und der Liebe angesiedelt, und die stilistische Mischung sorgt dafür, dass nicht nur auf Krawall gebürstete Teenager Spaß dabei haben, das Album am Stück durchzuhören: rührende Melodien und drängelnde Beats, französischer Esprit und Rockattitüde zwischen vorwärts und Innehalten – das Songmaterial stimmt.

Produziert ist es auf angenehm passende Weise: So, dass es eben nicht »produziert« wirkt und nichtsdestotrotz den Ansprüchen von soundverliebten Aficionados handgemachter Musik genügt.

Babylon Circus: La Belle Étoile (Skycap/Rough Trade)