nd-aktuell.de / 17.06.2009 / Ratgeber / Seite 2

Vorsorge: Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit sind existenzielle Risiken

Assekuranz

Die Gefahr, aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten zu können, ist groß. Gut 1,6 Millionen Deutsche beziehen eine Rente, weil sie nicht mehr oder nur noch eingeschränkt arbeiten können. Jährlich kommen rund 160 000 hinzu. Besonders oft trifft es Berufstätige mit schwerer körperlicher Arbeit. So werden beispielsweise fast zwei Drittel aller Maurer vor dem Rentenalter erwerbsunfähig. Aber auch Lehrer gehen häufig vor dem Pensionsalter in den Vorruhestand. Selbst bei Ingenieuren scheidet jeder Zehnte aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Berufsleben aus.

Als teilweise erwerbsgemindert gilt, wer wegen Krankheit oder Behinderung noch zwischen drei und sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann. Wer dagegen außerstande ist, mehr als drei Stunden täglich »unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes« zu arbeiten, ist voll erwerbsgemindert – und hat Anspruch auf die volle Erwerbsminderungsrente. Diese fällt aber nicht üppig aus.

2007 wurde nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung als durchschnittliche Vollrente bei den Männern 712 Euro in den alten Bundesländern gezahlt, in den neuen Ländern 641 Euro im Monat. Bei den Frauen waren es zum gleichen Zeitpunkt 612 Euro (West) und 660 Euro (Ost). Gleich welchen Geschlechts: Wer nur davon leben muss, hat ein finanzielles Problem. Es sei denn, man hat entsprechend privat vorgesorgt.

Nach Angaben des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft gibt es derzeit aber nur rund zwei Millionen eigenständige Privatversicherungen gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit. Hinzu kommen nochmals rund 15 Millionen Versicherungsverträge mit Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungen. Andererseits gibt es in Deutschland aber rund 40 Millionen Erwerbstätige. Das heißt im Klartext: Die Deutschen sind hier glatt unterversichert.

Dabei handelt es sieh bei der Berufsunfähigkeitsversicherung nach Meinung von Stiftung Warentest um die – neben der Privathaftpflicht – wichtigste Privatversicherung überhaupt. Denn der Verlust der Arbeitskraft stellt eine existenzielle Bedrohung dar.

Hinzu kommt, dass junge Leute keinen Berufsschutz mehr über die gesetzliche Rentenversicherung haben: Erwerbsminderung und Berufsunfähigkeit sind eben nicht dasselbe. Denn für die gesetzliche Erwerbsminderungsrente spielt der ausgeübte Beruf in der Regel keine Rolle mehr. Berufsunfähigkeitspolicen versichern dagegen die zuletzt ausgeübte Tätigkeit. Laut Stiftung Warentest wissen aber nur 15 Prozent aller Berufstätigen unter 40 Jahren, dass sie im Fall ihrer Berufsunfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenkasse keinen Cent beanspruchen können.

Die Stiftung Warentest hat im vergangenen Jahr erstmals eigenständige Berufsunfähigkeitspolicen untersucht. In der Juli-Ausgabe ihrer Zeitschrift »Finanztest« wurde festgestellt, dass mit »Berufsunfähigkeitsschutz pur« ordentliche Renten möglich sind. Dabei handelt es sich um Policen, die nicht mit anderen Versicherungen kombiniert sind. Abgesichert ist ausschließlich das Risiko der Berufsunfähigkeit.

»Finanztest« sieht den Vorteil von Einzelverträgen darin, dass die Höhe der vereinbarten Rente nicht an andere Vertragsbestandteile gebunden ist, sondern relativ frei gewählt werden kann – auch wenn manche Kombiverträge mit Risiko-Policen deutlich preisgünstiger sind.

Von Kombinationen mit Kapital-Lebensversicherungen raten die meisten Experten ohnehin ab, weil der Berufsunfähigkeitsschutz nicht mit Altersvorsorge gekoppelt werden sollte. Die Finanztester hatten 59 Tarifangebote untersucht und dabei 16 Mal das Prädikat »Sehr gut« erteilt. Bewertet wurden dabei Form und Inhalt der Anträge, die angebotenen Laufzeiten für 26 häufige Berufe – aber in erster Linie die Vertragsbedingungen. Denn ein Antragsteller sollte sicher sein, dass die ausgesuchte Gesellschaft im Ernstfall auch zahlt.

Zu den Kriterien für ein »Sehr gut« zählten unter anderem der Verzicht auf die abstrakte Verweisung und der Einschluss der so genannten Nachversicherungsgarantie. Das bedeutet, dass der Versicherer bei der abstrakten Verweisung in der Leistungsprüfung darauf verzichtet, seinen Kunden auf einen anderen Beruf zu verweisen. Durch die Nachversicherungsgarantie kann bei bestimmten Anlässen wie Hochzeit oder Gehaltserhöhung die vereinbarte Rente ohne erneute Gesundheitsprüfung heraufgesetzt werden.

Interessenten empfiehlt Warentest, unter den mit »Sehr gut« bewerteten Tarifen auszuwählen und sich mehrere Angebote berechnen zu lassen. Der Preis sollte erst ins Spiel kommen, wenn mehrere gleich gute Offerten vorliegen. Dabei muss man den Unterschied zwischen Netto- und Bruttobeiträgen kennen, weil zahlreiche Gesellschaften ihren Kunden anbieten, kalkulierte Überschüsse mit den Tarifbeiträgen zu verrechnen. Daraus ergibt sich der niedrigere Nettopreis. Überschüsse entstehen zum Beispiel, wenn weniger Versicherte berufsunfähig werden, als bei der Tarifkalkulation angenommen wurde. Maximal muss der Kunde den höheren Brutto- oder Tarifbeitrag zahlen – aber eben erst dann, wenn die Versicherungsgesellschaft die erwarteten Überschüsse nicht erreicht. Deshalb sollte man beim Preisvergleich auch die Bruttobeiträge beachten. Nach Darstellung von »Finanztest« kalkulieren Versicherer aber vorsichtig.

Die von Stiftung Warentest seinerzeit ermittelten Preise gelten für dreißigjährige Muster-Diplom-Kaufleute und Bauingenieure beiderlei Geschlechts, die bis zum Alter von 65 eine Rente von 2000 Euro für den Berufsunfähigkeitsfall vereinbaren. Dabei schwankt der Netto-Jahresbeitrag unter den 16 Spitzenangeboten zwischen 916 Euro und 2443 Euro.

Individuelle Beratung gibt es in allen Geschäftsstellen der Verbraucherzentralen.