Sozialticket oder mehr Geld

Diskussion der Friedrich-Ebert-Stiftung zu Teilhabe und Mobilität

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 2 Min.
Eine Studie der Technischen Universität Hamburg-Harburg mit dem sperrigen Titel »Räumliche Mobilität als Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe« sorgte im Arbeitskreis Innovative Verkehrspolitik der Friedrich-Ebert-Stiftung für teilweise kontroverse Diskussionen.

Die Untersuchung, wie auch andere, bestätigten erst einmal, dass das Auto das dominante Verkehrsmittel ist. Außerdem: Die Qualität des Öffentlichen Personennahverkehrs steigt mit der Siedlungsdichte. Das heißt, die meisten zügigen Direktverbindungen gibt es in den Großstädten, während in 30 beziehungsweise 40 Prozent der untersuchten Kleinstädte und kleinen Landgemeinden überhaupt kein öffentlicher Nahverkehr angeboten wird.

Dann sind die Einwohner auf den Pkw angewiesen oder können nur mit Schwierigkeiten Waren des täglichen Bedarfs besorgen und an kulturellen Veranstaltungen teilnehmen. Ausgerechnet die Pendlerpauschale bevorzugt die einkommensstarken Haushalte. Ärmere Bevölkerungsschichten haben kam etwas davon, werden im Gegenteil am stärksten belastet, weil sie häufig an den stark befahrenen Straßen statt im Grünen wohnen. Die Situation für die sozial Schwachen verschlimmert sich, wenn dann noch die Einkaufsmöglichkeiten wegfallen, was durch die aktuelle Hertie- und die Karstadt-Pleite weiter beschleunigt wird.

Philine Gaffron von der TU Hamburg-Harburg nannte die zwei Möglichkeiten der Politik, um die Mobilität für viele zu sichern: entweder verführerische Subventionen wie die Abwrackprämie, Steuerentlastung, Sozialtarife und vielleicht Zahlung eines Mobilitätsgeldes oder eine integrierte Siedlungs- und Verkehrsentwicklung. Die zweite Alternative, dar-über war man sich einig, ist die nachhaltigere, die allerdings den Wähler weniger beeindruckt.

Staatssekretär Achim Großmann lobte die SPD, die das Verkehrs- und das Bauministerium zusammengelegt hatte. In seinem Ministerium reibe man sich, koordiniere aber die Planungen besser als früher unter zwei Ministern. Dazu kam es ziemlich spät, und die Bevölkerung leidet an der falschen Entwicklung – Stichwort: die autogerechte Stadt im Westen seit den sechziger Jahren. Für die unterschiedlichen Ansprüche muss der öffentliche Nahverkehr den sozialen Ausgleich schaffen, meinte Claus Matecki vom DGB-Bundesvorstand. Er warnte, ihn zurückzufahren, zumal er bemerkt haben will, dass der öffentliche Nahverkehr an politischer Unterstützung verliere. Er verwies auch auf die ungewollte Mobilität, wenn Arbeitnehmer zu den Betrieben immer weiter fahren müssen. Unternehmen dürften sich nur dort ansiedeln, wo sie auch gut zu erreichen seien. Mit den Lockrufen auf die grüne Wiese hätten viele Kommunen »gesündigt«.

Die Diskussion entzündete sich auch am Sozialticket. Das sei nicht gerade billig und zudem nutzlos, wenn das Nahverkehrsangebot fehle, wie auf dem Lande. Als Staatssekretär Großmann einwarf, die Politik müsse für Arbeitseinkommen genauso viel unternehmen, um das Sozialticket wieder abzuschaffen, widersprach ihm der Gewerkschafter Matecki. Dieser Gedanke sei unrealistisch im Hinblick auf die wachsenden Arbeitslosenzahlen, mit denen in diesem Sommer zu rechnen sei. Nachgedacht werden wird darüber wohl trotzdem.

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