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Doppelgipfel in Jekaterinburg

Medwedjew sammelte Prominenz um sich

  • Irina Wolkowa, Moskau
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Prinzip einer Welt mit mehreren Schwerkraftzentren habe sich endgültig durchgesetzt. Dadurch wachse das Gewicht regionaler Organisationen in der Weltpolitik, heißt es selbstbewusst in der Deklaration der Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SCO), die am Dienstag beim SCO-Gipfel im russischen Jekaterinburg einstimmig verabschiedet wurde.

Der Shanghai-Organisation gehören neben Russland und China auch die zentralasiatischen Staaten Kasachstan, Kirgistan, Tadshikistan und Usbekistan an. Afghanistan, Indien, Iran, die Mongolei und Pakistan haben Beobachterstatus. Belarus und Sri Lanka erhielten ihn jetzt in Jekaterinburg.

Mit Hu Jintao, Asif Ali Zardari, Manmohan Singh und anderen hatte Dmitri Medwedjew im früheren Swerdlowsk eine illustre Gesellschaft um sich versammelt. Auch der Iraner Mahmud Ahmadinedschad war trotz der Turbulenzen zu Hause angereist. Zunächst allein, dann mit Ministern und Experten tauschte man sich zu allen brennenden Fragen der internationalen Politik und der Weltwirtschaft aus. Großen Raum nahmen die jüngsten Atomwaffendrohungen Nordkoreas ein. Pjöngjangs Nuklearpotenzial sei eine »ernsthafte Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit«, heißt es in der Deklaration, die zugleich die unverzügliche Wiederaufnahme der Verhandlungen über einen atomwaffenfreien Status der koreanischen Halbinsel fordert.

Mitglieder und Beobachter der SCO wollen sich zudem aktiver in die Kontrolle der internationalen Finanzsysteme einbringen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Weltwirtschaft ergreifen.

Ein vertiefter Meinungsaustausch dazu fand beim ebenfalls in Jekaterinburg zusammengekommenen Gipfeltreffen der BRIC-Staaten statt. Das Kürzel steht für die vier großen Schwellenstaaten Brasilien, Russland, Indien und China. Das Quartett vereinbarte engeres Zusammenwirken bei der Überwindung der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie Maßnahmen für die Energie- und Lebensmittelsicherheit. Russland, das seit geraumer Zeit für eine neue internationale Reservewährung wirbt, die mit dem Dollar konkurrieren soll, will künftig Teile seiner Devisenreserven in chinesische Yuan konvertieren. Yuan und Rubel sollen den Dollar auch bei gegenseitigen Lieferungen allmählich als Verrechnungseinheit ablösen.

Details wollen Präsident Dmitri Medwedjew und sein chinesischer Kollege Hu Jintao während des dreitägigen Russlandbesuchs des Chinesen erörtern, der am Dienstag begann. Er dient dem weiteren Ausbau der politischen und wirtschaftlichen Zusammenarbeit, die beide seit geraumer Zeit als strategische Partnerschaft bezeichnen.

Das Volumen des zweiseitigen Handelsaustauschs erreichte trotz Krise im letzten Jahr mit fast 57 Milliarden US-Dollar einen neuen Rekord. Seit Moskau und Peking 2008 über den Verlauf der letzten strittigen Abschnitte ihrer über 8000 Kilometer langen gemeinsamen Grenze einig wurden, sind auch die politischen Beziehungen frei von Problemen. Mehr noch: Beide Staaten bemühen sich nach Auffassung Fjodor Lukjanows, Chefredakteur der außenpolitischen Zeitschrift »Russland in der globalen Politik«, vor allem den USA klar zu machen, dass sie in Asien Gast und nur so lange gelitten sind, wie die Hausherren es zulassen.

Mitte der 90er Jahre zur Beilegung von Grenzstreitigkeiten zwischen China und den UdSSR-Nachfolgestaaten gegründet, konstituierte sich die Shanghai-Gruppe als regionales Bündnis erst 2001, als die NATO sich für die Antiterror-Operation in Afghanistan Zugriff auf Basen in Zentralasien verschaffte. Die Bedeutung der SCO als Ordnungsfaktor in der Region, meint Lukjanow, werde angesichts der schwachen Vorstellung des Nordatlantikpakts am Hindukusch weiter wachsen.

Und nicht nur dort. Die Shanghai-Organisation ist, wie Lukjanow glaubt, gegenwärtig die einzige bedeutende supranationale Organisation in einer Region, auf die sich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt richtet. Mehr und mehr auch die der Europäer, die sich gern für den Nabel der Welt halten. Längerfristig stehe die SCO dennoch vor einer Zerreißprobe. Den Grund dafür sieht der Chefredakteur in Rivalitäten ihrer Führungsmächte Russland und China: Beide konkurrieren um den Status einer Supermacht in Asien und um den Zugriff auf die Öl- und Gasvorkommen der Kaspi-Region. Schon deshalb verlagere Moskau den Akzent seiner Außenpolitik nach Osten.

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