Heimkinder: Streit um Opferzahlen

Runder Tisch beleuchtet Missbrauch und Zwangsarbeit in kirchlichen Heimen

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Im Streit um die Opferzahlen der kirchlichen Heimerziehung in der frühen Bundesrepublik hat die katholische Kirche einen Fehler eingeräumt. In einem Brief hatte Erzbischof Zollitsch nur einige hundert Fälle eingeräumt. Die Opferverbände gehen jedoch von weitaus höheren Zahlen aus.

Berlin (ND/epd). Die Sprecherin der Deutschen Bischofskonferenz, Nina Schmedding, sagte am Dienstag in Berlin, bei der Zahl von wenigen hundert Opfern handele es sich »nur um die Fälle, die sich bei unseren Einrichtungen gemeldet haben«. Die Kirche sei weiter an Aufklärung interessiert.

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hatte in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« anlässlich des dritten Treffens des Runden Tisches Heimerziehung in Berlin Anfang dieser Woche geschrieben, »dass die Zahl der schlimmen und fragwürdigen Fälle im katholischen Umfeld eher gering ist und sich im unteren dreistelligen Bereich befindet«. Daraufhin hatte der Vertreter der ehemaligen Heimkinder am Runden Tisch Heimerziehung, Hans-Siegfried Wiegand, kritisiert, die katholische Kirche erwecke den Eindruck, die Opferzahlen herunterspielen zu wollen. Wenn die Zahl der in katholischen Heimen misshandelten Kinder nur im unteren dreistelligen Bereich läge, »bräuchten wir keinen Runden Tisch«, sagte Wiegand.

Tatsächlich hätten in der fraglichen Zeit, von den 1950er Jahren an bis in die 1970er Jahre, allein mindestens 1500 katholische Heime existiert. Man gehe von deutlich höheren Opferzahlen aus. In der frühen Bundesrepublik bis in die 70er Jahre wurden Tausende Kinder und Jugendliche in kirchlichen Heimen vielfach schwer misshandelt und zur Arbeit gezwungen.

Der Runde Tisch Heimerziehung soll ihr Schicksal aufklären und über mögliche Entschädigungen befinden. Er wurde vom Bundestag eingerichtet, nachdem die Betroffenen in einem zweijährigen Petitionsverfahren das ihnen angetane Unrecht bekannt gemacht hatten. Der Verein ehemaliger Heimkinder fordert die Einrichtung eines Entschädigungsfonds in Höhe von 25 Milliarden Euro, in den vor allem die Kirchen und ihre Wohlfahrtsverbände einzahlen müssten.

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