Kein Kontakt zu Jemen-Geiseln

Behörden werfen Entführungsopfern Unvorsichtigkeit vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Die in Jemen vermissten deutschen Geiseln sollen noch während des Überfalls durch die Entführer per Handy einen verzweifelten Hilferuf abgesetzt haben. Sie waren am Freitag vergangener Woche in der Provinz Saada zusammen mit einer Südkoreanerin und einem Briten verschleppt worden.

Sanaa (dpa/ND). Nach Angaben der Zeitung »Yemen Times« vom Donnerstag riefen die entführten Deutschen eine jemenitische Krankenschwester in Saada an, die danach sofort die lokalen Behörden und die Anführer der schiitischen Houthi-Rebellen, die jeweils Teile der Provinz kontrollieren, informiert haben soll. Die Krankenschwester, die zusammen mit den Deutschen im Dschumhuri-Krankenhaus arbeitete, soll berichtet haben, die Deutschen hätten ihr gesagt, sie würden von den Fremden »drangsaliert«.

Laut dem Bericht wurde die Gruppe während eines Ausflugs zu einem Bauernhof in der Ortschaft Gharas von drei bewaffneten bärtigen Männern überfallen, die ihnen mit ihrem Geländewagen den Weg versperrten. Anschließend sollen die Entführer mit dem eigenen Auto und dem Wagen der Ausländer quer durch die Provinz gefahren sein.

Ein Lokalpolitiker aus Saada sagte, sie seien am Freitag in dem von den Houthi-Rebellen kontrollierten Gebiet gesichtet worden. Die Houthi-Bewegung stritt erneut jede Beteiligung an der Geiselnahme ab. Sie behauptete, die Regierung versuche, ihr das Verbrechen in die Schuhe zu schieben, um eine neue Militäroffensive gegen die Bewegung zu rechtfertigen.

Die beiden deutschen Pflegehelferinnen und die südkoreanische Lehrerin wurden von den Entführern wohl schon kurz nach dem telefonischen Hilferuf erschossen. Die Leichen wurden am Montag in einem Flusstal gefunden.

Ein jemenitischer Arzt, der die Leichen gesehen hatte, sagte der Zeitung, die Frauen seien bereits drei Tage zuvor erschossen worden. Der Arzt widersprach Medienberichten, wonach die Frauen von den Mördern verstümmelt worden sein sollen. Sie seien mit mehreren Schüssen getötet worden.

Die Entführer sollen nach Informationen des Blattes aus dem Umfeld lokaler wahhabitischer Extremistengruppen stammen. Der Wahhabismus ist eine puritanische Version des sunnitischen Islam, der im benachbarten Saudi-Arabien Staatsreligion ist. Einige Wahhabiten-Gruppen sollen sich in den vergangenen Jahren – teils aus finanziellem Interesse, teils aus religiöser Überzeugung – dem Kampf gegen die schiitischen Anhänger von Rebellenführer Abdulmalik al-Houthi in Saada angeschlossen haben.

Regierungstreue Jemeniten hatten am Mittwoch eine Demonstration organisiert, um gegen die Entführung und Ermordung der Helfer zu protestieren. Dabei hatten sie unter anderem Bilder der fünfköpfigen Familie aus Sachsen hochgehalten, die sich zusammen mit dem Briten in der Gewalt der Entführer befinden soll.

Die jemenitischen Behörden warfen den Entführungsopfern derweil Unvorsichtigkeit vor. Die Zeitung »26. September« schrieb am Donnerstag, die Deutschen, die Südkoreanerin und der Brite hätten vor ihrem Ausflug die Direktion des Dschumhuri-Krankenhauses in Saada, wo sie beschäftigt waren, informieren müssen.

Nach einer wilden Verfolgungsjagd stellte sich in Jemen jetzt ein mutmaßliches Mitglied des Terrornetzwerks Qaida aus Saudi-Arabien den Behörden. Das berichtete das Verteidigungsministerium in Sanaa am Donnerstag. Naif Duhais Jahia al-Harbi habe »wichtige Informationen gegeben, die zur Verhaftung einer Reihe von gefährlichen Mitgliedern der Organisation führen werden«, hieß es. In welcher Provinz er sich stellte, blieb unklar. Harbis Name steht nicht auf der Liste der gefährlichsten Terroristen des saudischen Innenministeriums.

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