Rassistische Übergriffe schockieren Belfast

Rumänische Einwanderer müssen Zuflucht in Kirche suchen

  • Gabriel Rath, London
  • Lesedauer: 2 Min.
In der nordirischen Hauptstadt Belfast sind in der Nacht zum Donnerstag erneut Rumänen von Rassisten eingeschüchtert worden. Verletzt wurde bei den Steinwürfen auf ein Haus niemand. Der rumänische Generalkonsul wollte gestern Vertreter der Regionalregierung treffen, nachdem ein Mob in den vergangenen Tagen 115 Rumänen gejagt, bedroht und mit Steinen beworfen hat. 20 Familien suchten schließlich Asyl in einer Kirche.

Bereits seit Wochen waren sie Beschimpfungen und Übergriffen ausgesetzt gewesen. Als in der Nacht auf Mittwoch auch noch Ziegelsteine durch die Fenster ihrer Häuser flogen, musste eine Gruppe von Einwanderern aus Rumänien in Belfast in einer Kirche Zuflucht suchen. Die Bestürzung der offiziellen Politik war groß: »Das ist eine totale Schande für Nordirland«, verurteilte der stellvertretende Regierungschef der Provinz, Martin McGuinness, die rassistischen Übergriffe.

Die rumänischen Familien wurden mittlerweile provisorisch in einem Freizeitzentrum untergebracht. Unter den 115 Personen befindet sich ein fünf Tage altes Kind. In ihre Häuser im Süden Belfasts wollen sie nicht zurück: »Wir fühlen uns nicht mehr sicher.« Eine Frau, die als Namen nur Maria angab, sagte: »Sie wollen uns töten. Mir reicht es. Ich habe nicht die Absicht, länger in Nordirland zu bleiben.«

Womit die Rassisten ihr vorgegebenes Ziel erreicht hätten. Das verfolgen sie schon seit geraumer Zeit. Im April zwangen sie mit Übergriffen eine Gruppe ungarischer Einwanderer aus ihren Häusern, wenig später verprügelten sie polnische Fußballfans. Wie die Rumänen waren die Ungarn als Arbeitskräfte nach Nordirland gekommen. In den Boomjahren herzlich willkommen, werden sie nun in der Krise zu Opfern eines Nazi-Mobs. In diesen Kreisen zählt Hitlers »Mein Kampf« zur Plichtlektüre, und Ausländern wird vorgeworfen, »unsere Jobs wegzunehmen«.

Das alles geschieht am helllichten Tag. Bis zur spektakulären Rettung der Rumänen mit Hilfe ihrer lokalen Kirche fand das bisher aber kaum Beachtung, die Behörden blieben merkwürdig still. Rassisten sind in Großbritannien immer nur die anderen.

Zur Wirtschaftskrise hinzu kommt, dass Belfast trotz aller Fortschritte im Friedensprozess eine geteilte Stadt geblieben ist, in der militante Untergrundgruppen weiter ihr Unwesen treiben. Die Human Rights Commission warnte bereits vor Monaten, dass Immigranten in Gefahr seien, dort zur neuen Zielgruppe zu werden, wo früher konfessionelle Gewalt tobte. Jeffrey Donalson, der die protestantische DUP in der Regierung vertritt, warnte jetzt: »Rassismus darf nicht das neue Betätigungsfeld für diese Leute werden.«

Die Belfaster Regierung kündigte nun entschiedene Schritte an. Martin McGuinness: »Diese Leute gehörten verhaftet und vor Gericht gestellt.« Die Polizei sprach aber nur davon, dass man bei den Übergriffen »lokale Täter« verdächtige. In einem Land, in dem jeder Winkel mit Überwachungskameras ausgeleuchtet wird, war das erstaunlich vage.

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