Lehrer- und Erziehermangel droht

Bildungsforscher schlägt Alarm, GEW Schleswig-Holstein will Taten sehen

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 2 Min.
Bildungsforscher Klaus Klemm von der Universität Essen sagt einen allgemeinen Mangel an Lehrern und Erziehern voraus. Da die Stellenpolitik und neuerdings auch die Besoldung in Länderhoheit fallen, verdeutlichen seine Analysen, dass einige Länder stärker betroffen sein werden, andere weniger stark.

Bis 2015 werden an deutschen Schulen laut Klemm über 300 000 Pädagogen aus Altersgründen ausscheiden. In den fünf Folgejahren kommen noch einmal 160 000 in Pension gehende Lehrkräfte hinzu. Diese Abgänge können bei weitem nicht von Junglehrern aufgefangen werden, deren Jahresschnitt sich derzeit bei 26 000 bewegt. Zugleich warnte Klemm davor, dass sich das Problem durch rückläufige Schülerzahlen erledigen würde. Bei allen Bildungsreformen hin zu mehr individualisiertem Lernen und bei von vielen Seiten geforderten kleineren Klassen steuert alles auf eine Personallücke hin.

Besonders in Fächern wie Mathematik, Physik, Chemie und Informatik prophezeit Klemm einen regelrechten Wettbewerb unter den Ländern. In Hamburg beispielsweise schaut man sich verstärkt nach Lehrern für Spanisch und Latein um. Umstrittene Abwerbeaktionen waren unter anderem am gestrigen Donnerstag Thema der Kultusministerkonferenz in Berlin.

Wie unterschiedlich die Länder ihre Verantwortung bei der Lehrerausbildung nehmen, zeigt ein Vergleich. Berlin, Rheinland-Pfalz und die neuen Bundesländer bilden derzeit über den eigenen Bedarf aus, während beispielsweise Schleswig-Holstein und Bayern auf »Importe« angewiesen sind. Im Süden, dazu gehören laut Klemm auch Hessen und Baden-Württemberg, werden angehenden Lehrern schon jetzt wesentlich mehr Anreize geboten als anderenorts. Sogar günstige Baugrundstücke oder Finanzierungshilfen gehören dazu. Das klamme Schleswig-Holstein dagegen müsse sich ernsthaft Sorgen machen. Daher werden mehr Referendariatsplätze benötigt, denn zurzeit müssten Hochschulabsolventen »unnötig lange warten; die Landesregierungen haben das Thema jahrelang verschlafen«, so Matthias Heidn, GEW-Chef im nördlichsten Bundesland.

Kaum rosiger sei laut GEW die Situation im Kita- und Krippenbereich. Bundesweite Untersuchungen würden hier nach dem gesetzlich gewollten Ausbau der U 3-Betreuung und durch die zunehmend eingeführte Beitragsfreiheit einen Personalmangel von 27 000 Erzieherinnen und Erziehern ausweisen, heißt es in einem Papier der Gewerkschaft. Für Schleswig-Holstein etwa hat Klemm berechnet, dass bis 2015 jährlich 770 neue Erzieher eingestellt werden müssten. »Wo die herkommen sollen, weiß noch niemand«, sagt Heidn besorgt. Ausdrücklich sprechen sich die norddeutschen GEW-Landesverbände nach dem alarmierenden Gutachten von Klemm für eine »Verbesserung der Einkommens- und Arbeitsbedingungen« aus, um den Pädagogenberuf wieder attraktiver zu machen.

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