Schwarzer Trauerzug durch Teheran

Iranische Opposition setzt Demonstrationen fort / Unterlegene Kandidaten legen Beschwerde ein

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Die iranische Opposition hält den Druck aufrecht. Auch am Donnerstag folgten wieder Hunderttausende Iraner einem Aufruf von Oppositionsführer Mussawi und demonstrierten im Zentrum Teherans für Neuwahlen.

Teheran (AFP/dpa/ND). Trotz des herrschenden Demonstrationsverbots sind in Iran am Donnerstag erneut Hunderttausende Menschen auf die Straße gegangen. Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Mir Hussein Mussawi und des früheren Staatschefs Mohammed Chatami forderten die Freilassung aller Festgenommenen der vergangenen Tage. Die Vereinigung der kämpfenden Geistlichen, ein von Chatami mitgegründeter Zusammenschluss reformorientierter Kleriker, beantragte unterdessen beim Präfekten Teherans für Samstag eine Massenkundgebung mit Mussawi als Redner.

Der Wächterrat lud die drei unterlegenen Kandidaten der umstrittenen Präsidentschaftswahl für Samstag ein, an einer Prüfung der Wahlergebnisse teilzunehmen. Die Kandidaten hatten 646 Unstimmigkeiten bei der Abstimmung vom vergangenen Freitag angeprangert, sagte ein Sprecher des Gremiums, das aus sechs Geistlichen und sechs hohen Richtern zusammengesetzt ist.

Viele Demonstranten trugen am Donnerstag als Zeichen der Trauer für die in den Vortagen Getöteten schwarz und darüber hinaus – als Zeichen für den angestrebten Wandel – noch grüne Bänder. Mussawi hatte seine Anhänger aufgerufen, öffentlich um die Toten der vergangenen Tage zu trauern.

Nach Angaben von Augenzeugen hatten sich die Demonstranten auf dem riesigen zentralen Imam-Khomeini-Platz versammelt, doch auch in den umliegenden Straßen standen die Menschen dicht gedrängt. Mussawi hielt eine Rede vor den Demonstranten. Darin forderte er seine Anhänger auf, am Samstagmittag wieder auf die Straße zu gehen.

Am Freitag solle keine Protestkundgebung stattfinden, da der oberste geistliche und weltliche Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei, dann das Freitagsgebet anführen wird. Beobachter gehen davon aus, dass er sich dabei zur Situation nach der Wahl äußern wird. Chamenei hat umfassende Machtbefugnisse und das letzte Wort bei allen politischen Entscheidungen im Gottesstaat Iran.

Mussawi hatte am Vortag dazu aufgefordert, die während der Demonstrationen festgenommenen Aktivisten – darunter zahlreiche Journalisten, Anwälte, Studenten und Dissidenten – umgehend freizulassen. Nach Medienberichten sollen rund 100 Menschen wegen der Proteste, die sich auch auf andere Städte neben Teheran ausgebreitet hatten, in Haft sein.

Nach Angaben der erst kürzlich von der EU-Terrorliste genommenen iranischen Oppositionsbewegung Volksmudschaheddin wurden bei den bisherigen Kundgebungen 43 Menschen getötet. Von unabhängiger Seite wurden diese Zahlen nicht bestätigt.

Der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, bezweifelte unterdessen in einem Interview der »Süddeutschen Zeitung«, dass die Wahl in Iran maßgeblich gefälscht worden sei. Das Ergebnis sei weniger das Ergebnis einer Manipulation, als der Politik der vergangenen vier Jahre. Präsident Ahmadinedschad habe sich erfolgreich als »Präsident der kleinen Leute« verkauft.

Der deutsche Staatsminister im Auswärtigem Amt Gernot Erler äußerte im Sender n-tv »großen Respekt und Bewunderung« für die oppositionellen Demonstranten in Iran. Die Neuauszählung einzelner Wahlbezirke werde den Forderungen der Opposition nicht gerecht, sagte Erler. »Das Ziel ist ganz klar eine Neuwahl.«

Tagesthema Seite 2

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