Heute beliebt. Und morgen?

  • Brigitte Zimmermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Flattersatz: Heute beliebt. Und morgen?

Mit der Beliebtheit von Politikern ist es so eine Sache. Bei der Tragweite der Entscheidungen, die ihnen obliegen oder obliegen müssten, dürfte der Wunsch nach Starruhm eigentlich kein Kriterium sein. Deshalb werden sie ja für mitunter sehr lange vier oder fünf Jahre gewählt, damit Raum bleibt, auch Unpopuläres durchzusetzen. So war es jedenfalls gedacht. Aber unterdessen wird jede Woche an einflussreicher Stelle eine angeblich hochrepräsentative Umfrage veröffentlicht, die kaum erklärbare Veränderungen der Beliebtheit im Millimeterbereich registriert. Und ganz sicher ist die Behauptung, diese Befunde würden mehr Einfluss auf die Politik haben als Partei- und Regierungsprogramme, nicht nur eine Marketingmaßnahme der Veranstalter solcher Rankings, wie man das neudeutsch nennt.

Beim Blick auf die Liste der beliebtesten Politiker des letzten Jahrzehnts entdecken wir die beiden Bundespräsidenten Rau und Köhler, qua Amt vergleichsweise einflusslos, also wenig störend, aber immer nett, fast so was wie volksnah und mitunter gar ein wenig kritisch. Sodann haben wir den einstigen Außenminister Josef Fischer. Außenminister stehen immer weit vorn, weil sie selten in den Niederungen von kalter Steuerprogression, ungenügendem Datenschutz und nicht gewährten gesetzlichen Mindestlöhnen angetroffen werden. An dem zeitweilig Joschka genannten Fischer zeigt sich die Fragwürdigkeit der Beliebtheitsumfragen. Er war ein Beschleuniger des völkerrechtlich unvertretbaren Kosovo-Kriegs vor zehn Jahren, über den heute der Mantel des Schweigens gebreitet wird. Und wer seine inhalts- und gestaltungslosen Memoiren zu sich nahm, weiß erst recht, dass er wohl einer der am meisten überschätzten Politiker in Deutschland war.

Zurzeit marschiert Angela Merkel an der Spitze nahezu aller politischen Schönheitswettbewerbe. Sie zehrt wohl immer noch davon, es besser zu machen, als viele befürchtet haben. Aber ihre Kernkompetenz besteht darin, alles auf lau zu stellen. Wenn es bei einem von ihr besetzten Thema Zuspitzungen gibt, lässt sie es fallen wie eine heiße Kartoffel – Klimaschutz, Bildungsgipfel – und nimmt was anderes.

Mit ihrer schleichenden Art der Anpassung scheint sie überall hinzugehören, obwohl manche klagen, sie wäre nicht mal in der CDU, deren Vorsitzende sie doch ist, richtig angekommen. Die Kritiker werden zahlreicher, aber es hilft nichts. Denn außer Merkel hat die CDU im Wahlkampf nicht viel zu bieten. Das wollte und will die Kanzlerin und inszeniert sich entsprechend. Demokratie ginge anders. Aber wer weiß das noch?

Shootingstar der Politiker-Hitparade ist der Baron zu Guttenberg, Wirtschaftsminister. Das spricht nicht für die anderen dort Platzierten und schon gar nicht für die, die ihn da vorn einordnen. Denn der Mann ist gerade 135 Tage im Amt, kann also noch keine politisch nachhaltigen Spuren hinterlassen haben. Aber er hat ein inniges Verhältnis zu sich selbst, was er gern nach außen kehrt, vor Kameras und Mikrofone. Solche Leute erkennt man meist schon daran, dass sie über sich gern in der dritten Person reden. »Ich nehme das als jemand«, antwortet zu Guttenberg gehoben auf die Frage, wie er sich als Buhmann von SPD und Gewerkschaften fühlt, »der bei sich selbst zunehmend Gelassenheit und Humor entdeckt.« Bei sich selbst. Zunehmend.

Seine Beredsamkeit stellte er zuletzt vor allem in den Dienst der Insolvenz als Heilmittel. Keine Staatshilfen, nirgends, sondern Neustart aus der Insolvenz, mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten, aber darüber schweigt er gern. Nur interessiert das Gerede zu Guttenbergs im Zweifel nicht mal seine Parteifreunde in der CSU. Als sich die Insolvenz des Versandhandels Quelle letzte Woche als unheilbar zu erweisen drohte und 10 000 Arbeitsplätze in Gefahr waren – vor allem in Bayern, denn Quelle sitzt in Fürth – hat Horst Seehofer über Nacht Staatsgarantien organisiert. Das muss der Beliebte jetzt irgendwie schön reden. Macht er natürlich.

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