nd-aktuell.de / 23.06.2009 / Politik / Seite 4

Bürger wollen nicht bewegt sein

Bei Bürgermeister-Stichwahlen in Vorpommern gab es Niederlagen für starke lokale Öko-Initiativen

Velten Schäfer, Schwerin
Enttäuschung für Kohlekraftwerks- und Ferkelfabrik-Gegner: Ihre Kandidaten unterlagen am Sonntag bei Bürgermeister-Stichwahlen im Nordosten. Im Kreis Mecklenburg-Strelitz verfehlte die Linkspartei knapp ihren vierten Landratssessel.
Nicht gewählt: Schweinezuchtgegner Dieter Hase, Alt Tellin (l.) / Abgewählt: Kohlekraft-Gegner Klaus Kühnemann, Lubmin
Nicht gewählt: Schweinezuchtgegner Dieter Hase, Alt Tellin (l.) / Abgewählt: Kohlekraft-Gegner Klaus Kühnemann, Lubmin

In kleinen Verhältnissen schlagen kleine Nachrichten zuweilen große Wellen. So zum Beispiel im Seebad Lubmin, wo am Sonntag in einer Stichwahl über den ehrenamtlichen Bürgermeister abgestimmt werden musste, weil sich bei den Kommunalwahlen keine absolute Mehrheit ergeben hatte. Der Wahlkampfschlager war dabei die schriftliche Aussage des amtierenden Bürgermeisters Klaus Kühnemann von der Liste »Frischer Wind«: Ihm habe am 7. Juni »nur eine Stimme« zur absoluten Mehrheit gefehlt. Doch das stimmte gar nicht, stellte Teut Heuer, Wahlleiter im Amt Lubmin, daraufhin fest: Tatsächlich waren es zwei Stimmen. »Manchen Bürgermeistern kommt der Sinn für die Realität abhanden, die scheren sich kein Deut darum, ob manche Aussagen, die sie treffen, auch richtig sind«, ließ sich Heuer in einem länglichen Artikel in einer Regionalzeitung zitieren.

Ob es nun vermeintliche Realitätsverluste des »Mächtigen« waren oder andere Gründe: Am Sonntag haben sich die Wähler im Seebad sehr deutlich gegen Kühnemann entschieden. Sein parteiloser Herausforderer Axel Vogt, der sowohl von der CDU als auch von der SPD unterstützt worden war, schlug ihn mit etwa 50 Stimmen Vorsprung – bei einer für Kommunalverhältnisse im Nordosten überwältigenden Wahlbeteiligung von mehr als 70 Prozent.

Was dies zu einer Nachricht macht: Kühnemann trat in den letzten Jahren als Bürgermeister im Verein mit Bürgerinitiativen stets entschieden gegen das bei Lubmin geplante Steinkohlekraftwerk auf; am Kommunalwahltag hatte er das in einem Fernsehbeitrag noch einmal unterstrichen. Vogt hielt sich diesbezüglich bedeckt. Auf den Gang des Genehmigungsverfahrens, das sich auch mehr als ein halbes Jahr nach der öffentlichen Erörterung weiter dahinzieht, hätte allerdings auch eine Bestätigung Kühnemanns keinen Einfluss mehr gehabt.

Noch höher als in Lubmin, nämlich bei sagenhaften 83 Prozent, lag die Wahlbeteiligung bei der Bürgermeister-Stichwahl in Alt Tellin. Auch in dem kleinen Ort im Tollensetal ist ein erbitterter lokaler Konflikt der Hintergrund des großen Interesses an dem Urnengang: Alt Tellin ist in die Schlagzeilen geraten, weil der niederländische Agrarindustrielle Adrian Straathoff dort eine riesige Ferkelzuchtanlage mit 10 000 Muttersauen errichten will, wogegen eine Bürgerinitiative seit Jahren Front macht. Gegen den amtierenden Bürgermeister Frank Karstädt, der auf der CDU-Liste gewählt wurde, trat als Einzelbewerber Dieter Hase an, der als Kandidat der Ferkelfabrik-Gegner gelten konnte. Nachdem Hase in der ersten Runde noch die meisten Stimmen, aber keine absolute Mehrheit erreicht hatte, gewann nun doch der amtierende Bürgermeister mit etwa 55 Prozent der Stimmen. Karstädt hatte im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass Alt Tellin den Plänen des Investors sein gemeindliches Placet gab und damit den Weg freigemacht für das behördliche Genehmigungsverfahren. Dieses ist noch nicht definitiv abgeschlossen; sollte eine Genehmigung erteilt werden, will Straathoff allerdings noch in diesem Jahr mit dem Bau beginnen.

Eine Enttäuschung musste gestern auch die Linkspartei im Nordosten hinnehmen: Im Kreis Mecklenburg-Strelitz scheiterte ihr Kandidat Arnold Krüger äußerst knapp bei der Stichwahl für das Landratsamt. Mit 50,3 Prozent setzte sich CDU-Bewerber Heiko Kärger durch. So bleibt es bei drei Landräten der Linkspartei im Nordosten: Kerstin Kassner auf Rügen, Dieter Konieczny in Demmin und Barbara Syrbe in Ostvorpommern. Die Nachwahl war nach einem vorzeitigen Rücktritt nötig geworden.