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  • In Berlin begann der letzte große Prozess gegen mutmaßliche Schuldige des Bankenskandals

Rachegelüste sind nicht auf der Höhe der Zeit

Initiative Bankenskandal zum Prozessauftakt / Der Politikprofessor Peter Grottian engagiert sich in der Initiative Berliner Bankenskandal

  • Lesedauer: 3 Min.
In Berlin begann der letzte große Prozess gegen mutmaßliche Schuldige des Bankenskandals: Rachegelüste sind nicht auf der Höhe der Zeit

ND: Früher ließen Sie keine Gelegenheit aus, die juristische Aufarbeitung des Berliner Bankenskandals mit öffentlichen Aktionen zu begleiten. Gestern war vor Gericht von Ihnen nichts zu sehen.
Grottian: Es ist inzwischen völlig uninteressant geworden, ob Klaus-Rüdiger Landowsky durch ein zweites Verfahren so belastet wird, dass er in den Knast kommt.

Sie verspüren nicht mal ein bisschen Genugtuung?
Alle Blut- und Rachegelüste, die manche Berliner hegen, weil Landowsky einfach in hohem Maße Berlin geschadet hat, sind eigentlich nicht mehr auf der Höhe der Zeit.

Was ist denn auf der Höhe?
Es geht mehr um die Systeme der »Sorglos-Fonds« und »Sorglos-Immobilien«, die dann staatlich abgestützt waren. Das hat nicht Landowsky erfunden, sondern der jetzt vor Gericht stehende Manfred Schoeps aus Erlangen, also ein Immobilienhai. Außerdem hat die SPD einfach Glück gehabt, da sie vier und sechs Landowskys hatte, allerdings eben nicht von Landowskys Größenordnung. Die PDS hat diese SPDler sogar geschützt.

Der Prozess ist also irrelevant?
Das Bedeutsame des Landowsky-Prozesses heute besteht darin, dass wir meinen, viel gelernt zu haben aus solchen Bankkrisen. Gesellschaftspolitisch haben wir aber in den jeweiligen Regionen dennoch nichts gelernt. Das ist der Grund, warum die globale Finanzmarktkrise auch so durchgeschlagen hat, weil das System Landowsky oder das System Schoeps im Grunde genommen mit gleichen Elementen gewirkt hat wie die internationale Finanzmarktkrise auch.

Da haben die von Ihnen genannte Systeme noch Namen, wem würden Sie denn die große Finanzmarktkrise zurechnen?
Die politische Verantwortlichkeit ist noch schwerer zu ermitteln als in dem Bankenskandal in Berlin. Da ist noch was zurechenbar. Der Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses hat sich auch viel Mühe gegeben, dies darzulegen. Ich bin mir sicher, dass das Gericht dies genauso feststellen wird. Während es bei der Finanzmarktkrise ganz schwierig ist, die Verantwortlichkeit auch personell festzumachen und dann die Leute unter Anklage zu stellen.

Zur Zeit überschlagen sich doch viele Politiker mit Vorschlägen, die Finanzmärkte zu regulieren.
Ich bin da skeptisch. Wir sind einer Politik von Merkel, Steinmeier und Sarkozy und anderen ausgesetzt, die so tun, als ob sie jetzt tatsächlich die Kontrollverfahren verschärfen. Mir drängt sich dagegen der Eindruck auf, dass auf einer leichtveränderten Drehscheibe der alte Dreh wieder angedreht wird. Man muss sich ja nur fragen, wie sich beispielsweise die Bankenaufsicht inzwischen wirklich verändert hat.

Hat sie das denn nicht?
Derjenige, der immer aufgetaucht ist in der Öffentlichkeit mit dem Löschzug, ist Jochen Sanio, der Vorsitzende der Bundesaufsicht für die Finanzdienstleistung (BaFin). Sanio kam immer zu spät. Er blickte nie durch. Und die Bundesbank und der Rettungsschirm von 500 Milliarden Euro, die Akteure, die daran arbeiten, die blicken mitnichten durch. Das heißt, die Erwartung, dass sich strukturell etwas ändert, ist bisher sehr begrenzt.

Fragen: Martin Kröger

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