Sonderbare Vergabe am Oberbaum

Überraschend bekam der Mieter den Zuschlag für das »Oberbaumdreieck« – zu gesalzenem Preis

  • Jana Findeisen
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Grundstück Oberbaumdreieck: Endlich mal ein guter Investor für den Kiez.
Das Grundstück Oberbaumdreieck: Endlich mal ein guter Investor für den Kiez.

Ralph Borchert steht vor seinem neuen Grundstück an der Oberbaum-Brücke und sieht zu, wie zwei seiner Mitstreiter das riesige Plakat abmontieren. »Berliner, in welcher Stadt wollt ihr leben?« stand da in großen Lettern. Gemeint war der Verkauf des Grundstücks und das geplante Hotel. Jetzt hat der Wind das Plakat gelöst, wie auf Zuruf. Überraschend hat Ralph Borchert das Tauziehen um das »Oberbaum-Dreieck« gewonnen. Anfang Juni unterschrieb der Geschäftsführer der Max Borchert GmbH den Kaufvertrag für das Gelände.

Wieso er und nicht der Investor mit den Hotelplänen den Zuschlag vom Liegenschaftsfonds bekam, darüber kann Borchert nur spekulieren. Sein Familienunternehmen ist seit Jahrzehnten an der Oberbaumbrücke ansässig und besitzt das Nebengrundstück zur nun verkauften Fläche. Seit Mitte der 60er mieten die Borcherts auch das Grundstück zur Falckensteinstraße – Versuche, es zu erwerben, scheiterten jedoch.

Als Borchert Anfang dieses Jahres vom Bieterverfahren und den Hotel-Plänen erfuhr, reichte er kurzfristig ein Alternativprojekt ein und bot mit. Sein Vorschlag ist eine nachhaltige, ökologische und sozialfreundliche Bebauung der Fläche. Bis kurz vor der Entscheidung sah es jedoch so aus, als hätte der Konkurrenzinvestor bessere Karten als der langjährige Mieter.

1919 gründete Ralph Borcherts Großvater Max Borchert eine Spiralfederproduktion auf dem Oberbaum-Dreieck. Das Eckstück zur Falckensteinstraße mietete die Familie und baute dort die flache Halle zur Schlesischen Straße. 2002 wandelte Ralph Borchert den Familienbetrieb in ein gemischtes Gewerbe um. Mittlerweile wohnen und arbeiten in den Altbauten an der Oberbaum- und der Schlesischen Straße Handwerker und Künstler, im Erdgeschoss befindet sich das Café Wendel.

Im Hinterhof schließt sich die vom Klub L.U.X. genutzte Mietfläche an, die jetzt zum Verkauf stand. Der erfolgreiche Vertragsabschluss ist für Ralph Borchert ein großer Erfolg nach langem Ringen. Günstig kam er dabei nicht weg: Der Kaufpreis lag mit 820 000 Euro deutlich über dem von einem Gutachter auf 550 000 Euro geschätzten Verkehrswert.

Die Vergabeprozedur weist einige Merkwürdigkeiten auf. Die Borcherts wurden als langjährige Mieter und Kaufanwärter zunächst übergangen, um am Ende für einen offenbar überhöhten Preis den Zuschlag zu bekommen. Dabei hätten sie aufgrund langjähriger Nutzung eventuell ein Direktvergaberecht gehabt. Bereits im Juli letzten Jahres unterbreitete Borchert dem Liegenschaftsfonds ein Angebot von 440 000 Euro, das knapp über dem Bodenrichtwert liegt.

In einer Steuerungsrunde wurde die Bezirksvertreterin Jutta Kalepky (parteilos), die für eine Direktvergabe plädierte, jedoch von Senatsebene aus überstimmt. Von der Ansetzung des offenen Bieterverfahrens Mitte Januar wurden Ralph Borchert und sein Mitmieter Dominik Bausinger, Betreiber des gegenüberliegenden Cafés »San Remo Upflamör«, gar nicht informiert. Nur indirekt erfuhren beide vom Vergabeverfahren. Andreas Rieger, einer der konkurrierenden Interessenten, äußerte kürzlich in der Presse den Verdacht, der Liegenschaftsfonds habe ihn 2007 zur Entwicklung des Geländes überredet, um »das Grundstück interessant zu machen«. Rieger wurde Anfang 2009 informiert, er sei überboten worden. Ein Investor biete 800 000 Euro und plane ein Hotel, so der Liegenschaftsfonds. Vorenthalten wurde Rieger, dass es eine zweite Runde des Bieterverfahrens geben würde.

Die sollte der Max Borchert GmbH die Möglichkeit geben, ihr ursprüngliches Angebot zu erhöhen und damit den Hotelinvestoren zu überbieten. Dass dieser Investor persönlich oder namentlich nie in Erscheinung getreten ist, findet Ralph Borchert indes sehr merkwürdig.

»Die Transparenz unserer Arbeit ist dabei das höchste Gebot«, wirbt der Liegenschaftsfonds auf seiner Internetpräsenz. Auf Anfrage möchte man sich zur Vergabe des Grundstücks allerdings nur mit einem Satz äußern: »Wenn ein notarielles Grundstücksgeschäft abgeschlossen ist, bei dem sich die Vertragspartner über wesentliche Vertragsmerkmale einig sind, gehen wir von einer Abgeschlossenheit aus«, sagt Teamleiter Werner Jenke, der unter anderem für die Vermarktung der Immobilienobjekte im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zuständig ist, und fügt hinzu: »Nachgekartet wird nicht.«

Um den Kaufpreis aufzubringen, musste Ralph Borchert Darlehen aufnehmen, deren Abbezahlung nun auch die Durchführung seiner Pläne verzögert. »Geschröpft« fühle er sich, sagt er. Dabei wolle er doch ein Projekt mit sozialfreundlichen Mieten anbieten, das den Kiez bereichert, anstatt Profit zu machen. Wenn das Gelände 2014 dekontaminiert ist, will er mit dem Bau des »Eckpfeiler« zur Brücke hin beginnen, in den das Kino »Eiszeit« und das L.U.X. einziehen sollen. Wenn es die Behörden denn auch wollen, seufzt Borchert.

www.max-bo.de

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