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Kein Licht am Ende des Tunnels

Krise in Osteuropa noch weiter verschärft

  • Hannes Hofbauer, Wien
  • Lesedauer: 3 Min.
Anlässlich ihrer halbjährlichen Pressekonferenz haben die Forscher des »Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche« (WIIW) davor gewarnt, den steilen Abschwung in Osteuropa als demnächst überwunden zu betrachten.

»Die Rezession könnte tiefer und länger andauern, als wir es derzeit einschätzen können«, meinte Sador Richter und sprach konkret von der Möglichkeit »negativer Kapitalimporte«, also fortgesetzten Kapitalabzugs, hohen Wechselkursrisiken und einer »so gut wie unvermeidbaren politischen und sozialen Instabilität«.

Wer zwischen den Zeilen der 170 Seiten starken Juli-Prognose des WIIW zu lesen vermag, der stellt unschwer fest, dass im vergangenen Halbjahr die Eckpfeiler einer 20-jährigen Kapitalisierung und (peripheren) Integration osteuropäischer Länder in die Europäische Union eingebrochen sind. Das Epizentrum der Krise liegt längst nicht nur bei den Banken, sondern attackiert die Grundfesten der Volkswirtschaften. Dereinst, nach dem Zusammenbruch von RGW und Jugoslawien meist klein portioniert als Nationalstaaten auf den Bedarf der Zentrumsökonomien ausgerichtet, krachen seit Oktober 2008 die Produktion, der Außenhandel und die Währungen. »Importsubstitution«, das wohl verpönteste Wort einer öffnungseuphorischen Philosophie, gilt neuerdings als Instrument des Krisenschutzes. Heute bedroht der grenzenlose Markt die schwächsten Mitglieder in ihrer Existenz, was sowohl volkswirtschaftlich als auch sozial zu verstehen ist.

Zwischen dem 2. Quartal des Jahres 2008 und dem 1. Quartal 2009 ist das Wirtschaftswachstum in den baltischen Ländern um 14 bis 18,8 Prozent zurückgegangen, in der Slowakei, Slowenien und Rumänien um minus 14 bis 15 Prozentpunkte und in den übrigen osteuropäischen EU-Ländern um 8,5 bis 10,6 Prozent. Die einzige Ausnahme bildet Polen mit einem relativ kleinen Minus von 5,1 Prozent.

Katastrophal sieht es beim Außenhandel aus, dem Kernstück der Einbindung ehemals sozialistischer Länder in den Weltmarkt. Im April 2009 sind die Exporte verglichen mit dem Vorjahr – je nach Land – zwischen 20 und 40 Prozent eingebrochen; die Importe sogar zwischen 30 und 50 Prozentpunkten. Das entspricht einer völligen, durch die Krise erzwungenen Kehrtwendung in der Wirtschaftspolitik. Wegbrechende Absatzmärkte im Westen sowie zusammengebrochene Nachfrage daheim lassen jene Länder, die mit fixen Wechselkursen zum Euro bzw. mit dem Euro selbst operieren, alternativlos erstarren. Ihre politischen Eingriffsmöglichkeiten sind gleich null, der Abschwung im Baltikum, Slowenien, der Slowakei dementsprechend stärker. Flexible Wechselkurse (wie in Tschechien, Ungarn, Polen und Rumänien) eröffnen zumindest via Währungsabwertungen die Chance, Exporte billiger und verkaufbarer zu machen.

Für die Nicht-EU-Länder in Südosteuropa gebraucht WIIW-Experte Josef Pöschl die Kurzformel »Stagnation ohne Nachfragemotor«. Eine in den EU-15 in der zweiten Jahreshälfte zu erwartende Insolvenzwelle könnte die Situation noch wesentlich dramatischer machen als sie es ohnedies bereits ist. Statt Investitionen gäbe es dann Kreditumschuldungen, was den Schock des 1. Quartals 2009 verlängern oder sogar vertiefen dürfte. Ein einzige Land schlägt statistisch aus der Reihe: Bosnien-Herzegowina, oder genauer: die Serbische Republik. Dort hat der russische Energiekonzern ZarubsezhNeft mit dem Wiederaufbau und der Produktion einer großen Ölraffinerie begonnen, was zumindest in den wirtschaftlichen Zahlenkolonnen positiv zu Buche schlägt.

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