Zu Wasser und zu Land gegen Tiefflüge

Die Bewegung für eine friedliche Kyritz-Ruppiner Heide wurde mit den Jahren immer breiter

Bereits die erste Demonstration in Schweinrich im August 1992 zählte 4500 Teilnehmer. Klein war die Bewegung für eine friedliche Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide nie, doch sie wurde im Laufe der Jahre immer breiter. Nun, da Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) den Verzicht verkündete, sind die Bombodrom-Gegner am Ziel.

Den Durchbruch brachten drei Musterklagen. Eine davon hatten Verlando Konschak und Dirk Mähnert eingereicht. Sie betreiben seit 1993 das Seehotel Ichlim in der mecklenburgischen Gemeinde Lärz, die von Tiefflügen der Bundeswehr betroffen gewesen wäre. Der Verzicht auf den Luft-Boden-Schießplatz rette in der Region tausende Arbeitsplätze, glaubt Dirk Mähnert. »Das einzige, was wir hier haben, ist der Tourismus und die Natur. Da sieht die Zukunft nun wieder besser aus.« Seit 1996 konnte der Hotelier sein Gasthaus nicht ausbauen, weil ihm die Banken wegen der unsicheren Perspektive keinen Kredit gaben.

Es ist unmöglich, die zum Teil so verschiedenen Menschen, die sich gegen den Übungsplatz aussprachen, alle aufzuzählen. Die Sozialisten und die Grünen standen früh an der Seite der Bürgerinitiative »Freie Heide«. Die inzwischen an Krebs verstorbene brandenburgische Sozialministerin Regine Hildebrandt (SPD) erschien gleich zur zweiten Protestwanderung, die PDS-Bundestagsabgeordnete Petra Pau kam zu Ostermärschen.

Auch die brandenburgische CDU rang sich schließlich zu der vernünftigen Haltung durch, lieber auf Arbeitsplätze im Tourismus als auf das Militär zu setzen. Eine besondere Note bekam dies durch den Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), bei dem es sich immerhin um einen ehemaligen Bundeswehrgeneral handelt.

Die Ministerpräsidenten von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern und auch der Regierende Bürgermeister Berlins sagten Nein zum Bombodrom. Die Landtage fassten entsprechende Beschlüsse. Die Liste der Unterstützer wuchs, reichte von der Internationalen Liga für Menschenrechte über die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bis zu den Hausbesitzervereinen.

Zur brandenburgischen Bürgerinitiative »Freie Heide« trat die mecklenburgische Bürgerinitiative »Freier Himmel« und Unternehmer schlossen sich in der Vereinigung »Pro Heide« zusammen und finanzierten Werbebroschüren mit den Argumenten der Bombodrom-Gegner. Der Naturschutzbund lieferte für solche Veröffentlichungen Fakten und Bilder. Der Leiter des Nationalparkamts Müritz sagte seine Meinung ebenso wie der Vorstand der Raiffeisenbank Ostprignitz-Ruppin, der Geschäftsführer der Berlin Tourismus Marketing GmbH oder der Schauspieler Peter Sodann.

Eine wichtige Rolle spielte die Kirche. Etliche Pfarrer predigten bei den Ostermärschen und den Protestwanderungen, darunter auch der Vater von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Zwei findige Einwohner der Ortschaft Menz verteilten rund um den Stechlinsee Vordrucke für Postkarten, die Urlauber an ihren jeweiligen Bundestagsabgeordneten schreiben sollten. Mit dem Dampfer sind Bombodrom-Gegner zum Berliner Regierungsviertel gefahren, mit Pferden dort eingeritten, haben für den guten Zweck gekocht und musiziert. So mancher durfte den Sieg nicht mehr erleben, wie Schweinrichs Bürgermeister Helmut Schönberg. Das engagierte Gründungsmitglied der »Freien Heide« starb 2004.

Natürlich, es gab auch Befürworter einer militärischen Nutzung. Wittstocks FDP-Rathauschef Lutz Scheidemann hoffte auf eine große Garnison, die seiner Stadt den Aufschwung bringen sollte – er befindet sich nicht mehr im Amt.

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