nd-aktuell.de / 10.07.2009 / Brandenburg / Seite 20

Das Ei des Cottbusverkehrs

Was wird aus dem Bürgerbegehren der CDU zum kompletten Erhalt der Straßenbahn?

Klaus Muche
Brandenburg: Das Ei des Cottbusverkehrs

Als die Stadtverordneten ihren Beschluss gefasst hatten, als sie mit einem Federstrich die Cottbuser Straßenbahn um drei Kilometer verkürzt und um sieben Haltestellen erleichtert hatten, rief von der Besuchertribüne ein Mann empört: »Wir sind das Volk.« Und ein Ei schlug dicht neben Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) aufs Parkett. Niemand wurde verletzt, ein Bekennerschreiben gibt es nicht. Vielleicht, so vermuten manche, war es der fleißige Sammler von 10 416 Unterschriften für den kompletten Erhalt der Bahn. Der alt gewordene Straßenbahnfahrer hatte sich bei der Übergabe stolz mit dem Oberbürgermeister ablichten lassen. Damals hatte Szymanski versprochen, die Bahn zu erhalten. Gebrochen hat er das Versprechen nicht, aber der Kassenlage angepasst.

Ein Gutachten versprach Cottbus ein Schlupfloch aus der Schuldenfalle, wenn es ganz auf die Straßenbahn verzichten und stattdessen Busse fahren lassen würde. Ein zweites Gutachten über die Luftverschmutzung der Stadt relativierte das wieder. Selbst in Brüssel war man auf den Cottbuser Feinstaub aufmerksam geworden. Es hätten Unannehmlichkeiten gedroht, wären künftig noch mehr Autos und statt umweltfreundlicher Straßenbahnen nicht ganz so saubere Busse durch die Innenstadt gekurvt. Zusätzlich gab es Protest von Fahrgastverbänden, Cottbuser Fahrgästen und von Leuten, die zwar nie mit der Bahn fahren, sie aber gerne weiter im Stadtbild sehen wollen.

So gesehen war es ein sauberer Kompromiss, den die Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei fand, ein zwar teurer, weil das »Streich-Orchester« sich nun eine andere Partitur suchen muss, aber, so schwant es auch allen Beteiligten: wenn andere Städte ihr Netz erweitern, kann es nicht gesund sein, eine funktionierende Bahn aus Kostengründen abzuschaffen.

Die Opposition hatte ihren Widerstand schon angekündigt. Mit dem Universitätsprofessor Dieter Schuster hatten Stadtplaner und Verkehrsexperten »ProTram Cottbus« gegründet, um einen neuen Verkehrsentwicklungsplan anzuschieben. Während die Koalition ihren Zuschuss an das Verkehrsunternehmen Cottbusverkehr drastisch senken will – 2011 um eine halbe und 2012 um eine ganze Million Euro – will ProTram Geld durch die Erweiterung des Bahnnetzes sparen. Vor allem durch die Anbindung von Universität, Universitätsbibliothek und Schwimmbad.

Rückenwind bekommt ProTram von der CDU. Die Partei, die immer schon »freie Fahrt für freie Bürger« gefordert hat und nichts mehr braucht, als die autogerechte Stadt, entdeckte ihre Liebe zur Straßenbahn. Auch der CDU-Kreisvorsitzende Michael Schierack muss täglich mit dem Auto in die Innenstadt, wie so viele, die dort gebaut haben, wo es keine Straßenbahn gibt.

Für den Fall, dass die Koalition ihre Vorlage durchpeitschen würde, hatte Schierack ein Bürgerbegehren angekündigt. Am 24. Juni stimmten die Abgeordneten für die Reduzierung des Bahnnetzes, am 4. Juli erschien der Beschluss im Amtsblatt. Seit diesem Tag könnten die nötigen 8500 Unterschriften gesammelt werden, um den Beschluss zu kippen. Doch auf den Straßen ist es still. Im Bürgerbüro City weiß niemand etwas vom Begehren, Wahlleiter Gerold Richter wartet immer noch auf den Antrag. »Die Zeit läuft«, sagt er lakonisch. Die erste der acht Wochen ist bald vorbei.

In der CDU-Zentrale herrscht derweil hektische Lähmung. »Sobald die Begründung fertig ist«, sagt Schierack, »spätestens am Freitag reichen wir den Antrag ein.« Immerhin muss die CDU den Bürgern erklären, worum es eigentlich geht und wie sie ihren Gegenvorschlag finanzieren will. Ist die Begründung schon für Gerold Richter nicht nachvollziehbar, hat die CDU ein Problem. Und die Zeit läuft weiter. Mit Aussagen wie »das Gutachten hat uns nicht überzeugt« und »wir müssen die Attraktivität der Bahn erhöhen, statt nur den Kostenzuschuss zu streichen«, kommt sie über die Hürde nicht hinweg. Doch immerhin hat Schierack schon erreicht, dass Richter einer Straßensammlung zustimmt, die Bürger also für ihre Unterschrift nicht auch noch aufs Rathaus gehen müssen.

Gar nicht mehr so sicher, ob es überhaupt noch zum Bürgerbegehren kommen wird, ist sich Professor Schuster. Der Oberbürgermeister habe eingelenkt und wolle die Bürger über einen Fahrgastbeirat einbeziehen. Zudem sei es rechtlich nicht möglich, den Beschluss der Stadtverordneten zu ändern. Man könne ihn nur aufheben. »Aber dann tritt eine Sperrfrist von zwei Jahren ein.« Erst danach könne überhaupt wieder zu diesem Thema verhandelt werden. Ob vor allem der Stadtkämmerer Holger Kelch (CDU) soviel Zeit hat, ist fraglich. »Wir sind scharf am Überlegen«, sagt Schuster. Die CDU könnte dem bald beipflichten, so schön die Straßenbahn auch in den Wahlkampf passt.