nd-aktuell.de / 18.07.2009 / Kultur / Seite 13

PLATTENBAU

Peter Nowak

Eins haben wir gemeinsam, das ist die Menschlichkeit, und keiner stirbt einsam«, diese Liedzeile eines Songs auf der CD »Per la Vita« könnte auch das Motto sein, unter dem die ungewöhnliche Zusammenarbeit zwischen den Bands Microphone Mafia und Coincidence steht. Die in Köln aufgewachsenen jungen HipHopper Rosario Panini und Kultu Yurtseven und die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano sowie ihre Kinder Joram und Edna eint der Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus.

Beide Bands haben in den vergangenen Jahren nicht nur in ihren Texten politisch Stellung bezogen gegen alle Formen der Unterdrückung. Sie waren auch immer wieder dort zu hören und anzutreffen, wo Menschen gegen alte und neue Nazis, gegen Ausgrenzung und Unterdrückung ihre Stimmen erhoben haben.

Rosario Panini und Kultu Yurtseven, die sich als »typische Jugendliche mit Migrationshintergrund« vorstellen, sind in einem Kölner Arbeiterviertel aufgewachsen und haben von frühester Kindheit an Erfahrung mit den unterschiedlichen Arten von Diskriminierung gemacht. Die pogromartigen Überfälle auf Flüchtlingsheime Anfang der 90er Jahre waren für sie der Anlass, mit ihren HipHop-Texten ihrer Wut und ihrem Zorn Ausdruck zu verleihen.

Bei Esther Bejarano, der ihre Musik in Auschwitz das Leben gerettet hat, war es das Wiedererstarken der neonazistischen NPD Ende der 60er Jahre, die sie zur Aktivistin machte. Nicht nur mit ihrer Musik, auch mit ihren Reden trug und trägt sie auf vielen antifaschistischen Kundgebungen und Veranstaltungen zur politischen Bewusstseinsbildung bei.

Beim Lesen der von Birgit Gärtner verfassten Biografie über Esther Bejarano, die den programmatischen Titel »Wir leben trotzdem« trägt, entstand bei den HipHoppern der Wunsch nach einer musikalischen Kooperation. Am Anfang waren beide Seiten unsicher, ob die unterschiedlichen Musikstile zusammenpassen. Doch die CD zeigt, dass diese Bedenken völlig unnötig waren. Die Hip-Hopper und die Sängerin ergänzen sich vorzüglich.

Es wird keine Unterhaltungsmusik präsentiert. In mehreren Liedern wird das Grauen der rassistischen Verfolgung mit einer beklemmenden Intensität vorgetragen. »Wir sind aufgereiht wie Vieh, habe Angst wie noch nie«, heißt es in einem Song, in dem beschrieben wird, wie am helllichten Tag die Juden von den Nazis aus ihren Wohnungen deportiert wurden. Neben Verzweiflung und Trauer drücken die Songs aber auch einen tiefen Glauben an die Menschlichkeit aus.

»Wer Menschen tötet, tötet die Menschlichkeit«, heißt es in dem Song über einen Pazifisten, der dem französischen Präsidenten in einem Brief mitteilt, dass er nicht bereit ist, im Algerienkrieg für den Erhalt des französischen Kolonialreichs zu kämpfen und sich zum Desertieren gezwungen sieht. »Sag Eurer Polizei, sie würde mich schon schaffen. Denn ich bin ohne Waffen. Zu schießen steht ihr frei«.

Das Leben ist stärker als die Kultur des Hasses und des Todes. Das ist die Botschaft dieser ungewöhnlichen CD, der große Verbreitung zu wünschen ist. Ihr Titel ist Programm: »Für das Leben«.

Bejarano & Microphone Mafia: Per la Vita (Al Dente/Alive)