Endspurt im zweiten Zuhause

Leichtathletik: Hochstimmung in der Medaillenschmiede in Kienbaum

Christina Obergföll schindet sich im Kraftraum von Kienbaum
Christina Obergföll schindet sich im Kraftraum von Kienbaum

»Kienbaum ist längst zu meinem zweiten Zuhause geworden«, sagt Speerwurf-Europameisterin Steffi Nerius, die nicht gezählt hat, wie oft sie sich hier den Feinschliff für den Saisonhöhepunkt geholt hat. »In Kienbaum habe ich alles, was ich benötige, um in Form zu kommen: hervorragende Trainingsstätten, gute Unterkunft und gutes Essen«, schwärmt sie, während sie beim diesjährigen Sommerfest im Bundesleistungszentrum in Kienbaum ihr Grillsteak verzehrt.

Unmittelbar vor den 12. Leichtathletik-WM ab 15. August im Berliner Olympiastadion wird das komplette deutsche WM-Team im südöstlich von Berlin gelegenen Kienbaum – schon zu DDR-Zeiten die Medaillenschmiede – vom 10. bis 12. August ein Trainingslager absolvieren. Von hier aus werden die Aktiven zwei bis drei Tage vor ihrem WM-Wettkampf ins Athletenhotel nach Berlin umziehen.

Gegenwärtig hält sich ein Drittel des Teams in Kienbaum auf, darunter die Werfer, Sprintstaffeln und Mehrkämpfer. Sie alle genossen 32 Tage vor WM-Beginn das Sommerfest bei Grillsteak, Bratwurst, Freibier, bei Popmusik und Gesprächen bis spät in den Abend.

Doch keine Bange: Vor dem kulinarischen Vergnügen war schon jede Menge Schweiß geflossen. Denn im neuen Kraftraum hatte es für Steffi Nerius, Christina Obergföll, die Kugelstoßgilde mit Nadine Kleinert, Ralf Bartels und Peter Sack und für die dreifache Diskus-Weltmeisterin Franka Dietzsch kein Pardon gegeben.

Danach aber wurde in vergnügter Runde manche Botschaft der Athleten aufgesaugt wie das Wasser vom Schwamm. »Mit meinem Stoßarm geht es wieder bergauf«, erzählt Nadine Kleinert, die zwei Tage zuvor in Athen mit 19,67 m zwar nur Zweite geworden war, »aber die Weite war okay«, strahlt die WM-Dritte aus Magdeburg.

Auch die Neubrandenburgerin Franka Dietzsch, noch immer auf der Suche nach ihrer Form, ist unverzagt. »Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Der Kick kommt schon noch bei mir«, verspricht sie, wobei sie spürt, dass mit über 41 Jahren ihr Körper Tribut fordert. »Mal sehen, wie es übernächsten Sonntag beim Meeting in Zeulenroda läuft.« Auch ihr Trainer Dieter Kollark verbreitet Optimismus. »Franka macht mit«, sagt er und meint damit: Sie startet zu ihren zehnten WM – ein Novum!

Auch Steffi Nerius steht mit ihren 37 Jahren mitten in ihrer letzten Saison, deren Krönung ein WM-Medaillengewinn wäre. Vor zwei Wochen bei den deutschen Meisterschaften in Ulm schnappte die Leverkusenerin, die in Bergen auf Rügen mit dem Sport begann, der Topfavoritin Christina Obergföll aus Offenburg den Titel weg und feierte ihren fünften Meisterschaftssieg. »So kann es weiter gehen«, lacht sie und fügt hinzu: »Alle haben noch Steigerungspotenzial, auch ich. Wichtig ist, sich nicht selbst unter Druck zu setzen.«

Ihre hartnäckigste Konkurrentin im eigenen Land, die Olympiadritte und zweifache WM-Zweite (2005 und 2007), Christina Obergföll, die mit 68,59 m weltbeste Werferin dieses Jahres ist, hat für ihre momentanen Schwächen eine simple Erklärung: »Wenn man auf Teufel komm raus einen guten Wurf machen will, passiert meist genau das Gegenteil. Doch bei der WM werden die Karten neu gemischt.«

Der Neubrandenburger Kugelstoßer Ralf Bartels, Europameister und WM-Dritter, spricht zwischen einem kühlen Pils und einer Braturst vom »Endspurt zur WM« und kündigt schon mal an: »Meine diesjährige beste Weite von 20,87 m war noch nicht das letzte Wort. Die Amerikaner kochen auch nur mit Wasser.« Bartels greift übrigens am ersten WM-Tag (15. August) als erster deutscher Athlet ins Geschehen ein, wenn um 10 Uhr die Kugelstoß-Qualifikation beginnt.

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