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Nazi-Gewalt darf nicht relativiert werden

  • Evrim Baba
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Dolmetscherin ist frauenpolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus Berlin.
Die Dolmetscherin ist frauenpolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus Berlin.

Es ist wieder soweit: In ihrer vermeintlichen Neutralität vergleicht die Polizei in Berlin Äpfel mit Birnen. Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch spricht gegenüber dem »Tagesspiegel« von einer deutlichen Zunahme linker Übergriffe gegen Rechtsextreme. Die Polizei habe einen Anstieg von 8 auf 21 Taten registriert, gleichzeitig sei die Zahl der Angriffe von Rechten auf Linke von 9 auf 4 zurückgegangen. Aber hier liegen völlig unterschiedliche Motive und Zielrichtungen vor, und es gibt völlig unterschiedliche Qualitäten.

Die Berliner Polizei und Staatsanwaltschaft haben in der Vergangenheit leider mehr als einmal bewiesen, dass ihr Vorgehen oft weniger mit Recht zu tun hat, dagegen mehr mit einer völlig absurden Gleichsetzung von links und rechts. Damit wird die tödliche Dimension von Rechtsextremismus und Rassismus weiter verharmlost. Das ist man schon seit Jahr und Tag von der Bundesregierung gewohnt. Statt der mindestens 138 rechtsextremen Morde seit 1990 hat sie bis 2008 »nur« 40 gezählt.

Die jetzigen Zahlenspielereien aus dem Berliner Polizeipräsidium lassen die Gewalt der Nazis gegen Immigrantinnen und Immigranten, Obdachlose, Juden und Jüdinnen, Menschen mit bestimmten sexuellen Orientierungen oder andere, die den Rechtsextremisten als »fremd« erscheinen, unzulässigerweise außen vor. Das Bedrohungspotenzial der Nazis für die Gesellschaft wird auf Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner von links reduziert. Dies wirft ein bezeichnendes Bild auf Politik und Medien, die sich auf derartige Relativierungen der Nazigewalt einlassen; es verschleiert rassistische Strukturen in der Gesellschaft.

In offiziellen Statistiken werden nur Taten als rechtsextrem oder rassistisch gezählt, die als vorsätzlich politisch motiviert gelten. Durch den Rost fallen dabei Gewalttaten, die mit einem rechtsextrem oder rassistisch geprägten Hintergrund erfolgen. Menschen, die eher »zufällig« zu Opfern rechtsextrem oder rassistisch eingestellter Täter wurden, weil sie in deren Feindbildvorstellungen passen oder ihnen als minderwertig und nicht lebenswert erscheinen, wie zum Beispiel Obdachlose, tauchen in der Statistik in der besagten Rubrik nicht auf.

Die Opferberatungsstelle Reach Out zählt diese Fälle mit. Sie zählte laut ihrem Schattenbericht »Berliner Zustände 2008« 65 ihnen aus einigen Bezirken bekannt gewordene Angriffe aus rassistischen Motiven im Jahr 2008. An der Spitze mit 30 Gewalttaten lag der Bezirk Friedrichshain, wobei es vorwiegend vor allem Antifaschistinnen und Antifaschisten sowie nicht-rechte, alternative Jugendliche traf.

Linke müssen sich als konsequente Gegner von Nazis und Rassisten gegen die Versuche rechtsextremer Verdrängung und rassistischer »Homogenisierung« engagieren und sich gegen gesellschaftliche Rahmenbedingungen stellen, die rechtsextreme und rassistische Überzeugungen befördern. Die LINKE darf eine Kriminalisierung dieses Engagements und eine Relativierung der Nazigewalt nicht zulassen.

In diesem Sinne und als Zeichen der Solidarität mit Jonas K., der vor einer Woche in Friedrichshain von Nazis lebensgefährlich zusammengeschlagen wurde, begrüße ich die von einem breiten antifaschistischen Bündnis für den heutigen Samstag um 18 Uhr am Bersarin Platz organisierte Demonstration.

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