Nordost-Presse weiter unter Druck

Bei »Schweriner Volkszeitung« und »Ostseezeitung« stehen wieder einmal Stellenstreichungen an

  • Velten Schäfer, Schwerin
  • Lesedauer: 3 Min.
Stellenabbau, Outsourcing, Einheitsmantel, Knebelverträge: Der Journalismus im Nordosten setzt seine Talfahrt fort.

Erwin Sellering hatte am Montag viel zu tun. Kanadas Botschafter kam zu Besuch, abends setzte sich der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern bei den Schachfreunden Schwerin ans Brett. Zwischendurch gab es aber einen ernsten Termin: Sellering empfing die Betriebsräte von Schweriner Volkszeitung, Ostseezeitung und Nordkurier zu einem Gespräch, an dem auch der deutsche Journalisten-Verband (djv), die Journalismussparte dju von ver.di und der DGB Nord teilnahmen.

Schon lange stemmen sich ver.di, djv und DGB im Nordosten mit der Initiative »Qualität und Vielfalt sichern« gegen die Ausdünnung der Zeitungslandschaft im Nordosten, und das durchaus mit parteiübergreifender Unterstützung. Dennoch hat der bekämpfte Prozess kaum an Fahrt verloren – im Gegenteil. Die Betriebsräte und Gewerkschaftsleute werden den Ministerpräsidenten über Details der jüngsten Drehung der Spirale unterrichtet haben.

Derzeit sind mit Ostseezeitung und Schweriner Volkszeitung gleich beide größeren Blätter akut betroffen. In Schwerin sollen – nach dem großen Stellenabbau 2005, als hundert Jobs, nahezu jeder Dritte, gestrichen wurden – schon wieder gut 40 Arbeitsplätze wegfallen. Betroffen sein soll eher der Verlags- als der redaktionelle Bereich, heißt es, doch Gewerkschafter wissen von mehreren Redakteuren, die gehen sollen – namentlich, wie sie sagen. Zudem musste Anfang des Monats plötzlich Chefredakteur Thomas Schunck den Hut nehmen. Begründet worden sei dies in Aushängen mit Differenzen über die Entwicklung des Blattes. Schunck hatte die Auslagerung der Mantelseiten in eine eigene, tariflose Gesellschaft noch mitgetragen. Nun aber soll die Zeitung neu ausgerichtet, lokale Themen zulasten Landes- oder bundespolitischer Texte stärker gewichtet werden, auch auf den vorderen Seiten.

Auch bei der konkurrierenden Ostseezeitung, die im Februar vom Madsack-Verlag übernommen wurde, steht weiterer Stellenabbau bevor. Offenbar soll die Finanzbuchhaltung des Blattes – wie auch die der »Lübecker Nachrichten«, deren 100-prozentige Tocher die Ostseezeitung ist – nach Leipzig verlagert werden, »ein klassisches Outsourcing«, wie eine Gewerkschafterin sagt. Die Belegschaft des Blattes übergab Madsack-Chef Herbert Flecken vor wenigen Tagen eine Resolution, die gegen solche Pläne Stellung bezieht. Im Vorfeld der Übernahme durch Madsack war angekündigt worden, die Rostocker durch den Ausbau zu einem Verwaltungsstandort der Gruppe für die redaktionellen Arbeitsplätze zu entschädigen, die durch die Bildung der Gemeinschaftsredaktion mit den Lübecker Nachrichten verloren gegangen waren. Dieser Ankündigung widersprechen die neuen Auslagerungspläne.

Nur beim Nordkurier stehen derzeit keine konkreten neuen Abbaupläne im Raum. Die vorpommersche Tageszeitung hat allerdings bereits eine radikale Schrumpfung hinter sich. Sie bezieht inzwischen landes- und bundespolitische Texte von der aus der Schweriner Volkszeitung ausgelagerten Mantelredaktion, ihr erfahrener Schwerin-Korrespondent wurde nach Usedom versetzt. Dafür stehen die Verträge hart in der Kritik, die der Nordkurier derzeit gegenüber seinen freiberuflichen Mitarbeitern durchsetzen will: Sie schließen auch für freie Autoren Mehrfachverwertungen radikal aus. Der djv hat dagegen eine einstweilige Verfügung beantragt. Am 31. Juli wird eine Entscheidung erwartet.

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