Wahlverwandtschaften

Berliner Graphikpresse zeigt Plastik und Malerei der »Künstler der Galerie«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
»An der Michaelkirchbrücke« von Herbert Tucholski, Radierung, 1954
»An der Michaelkirchbrücke« von Herbert Tucholski, Radierung, 1954

Es ist halt so etwas wie unser Sommersalon, lacht Sabine Röske herzlich, wie sie es gern und oft tut. Im fünften Jahr leitet sie die Galerie der Berliner Graphikpresse, die ihr Vater 1990 begründet hat. Das Jubiläum steht nächsten Frühling an, aber wie es begangen wird, weiß sie noch nicht. Denn gerade hat sie eine neue Ausstellung eröffnet, die »Künstler der Galerie« heißt und querbeet zeigt, wen diese Friedrichshainer Adresse für Bildende Kunst alles vertritt.

»Wir wollen unsere Bandbreite an Künstlern und Stilen auffächern, haben ausgiebig die Bestände gesichtet«, sagt Sabine Röske. Das Resultat kann sich sehen lassen, wirkt wie eine Leistungsschau von DDR-Kunst, für die sich die Galerie seit jeher engagiert. 60 Positionen umfasst der Überblick, stellt allein 40 Maler, Zeichner, Grafiker in Bild oder Blatt vor. Vielen waren schon Personalausstellungen gewidmet, so Charlotte E. Pauly, Arno Mohr, Herbert Tucholski. Otto Niemeyer-Holstein zeigt die Galerie ab August im Ostseebad Heringsdorf. Inhaltliche oder technische Verwandtschaften will Röske in der Zusammenschau transparent machen und hat bei der Zuordnung der Exponate aus gut 70 Jahren bisweilen selbst gestaunt.

Da hängen auf der einen Seite etwa Arbeiten der Berliner Schule und ihrer nachfolgenden Generationen, begegnen sich ansonsten Künstler aller Couleurs, stoßen Werke des Lehrers und seines Schülers friedlich aufeinander, machen spannende Entwicklungen transparent. Christine Perthen beispielsweise ist mit der an Dürer geschulten Radierung »Melancholie II« vertreten, daneben ihr Gehilfe Peter Schulz Leonhardt und seine strichstrenge Lithografie »Lady Macbeth«: blockhaft starre Gestalt mit tropfendem Dolch, gesenktem Reichsapfel und tödlich lastendem Kopfputz. Älteste Arbeit ist Paul Kuhfuss’ Tempera zweier fröhlich qualmender »Dampfer auf bewegter Ostsee« von 1937/38, jüngste Kerstin Göldners Blau-Komposition »Stillleben mit Hyazinthen«, die noch ölfeucht in die Galerie kam. Düster, braunschwarz und schwer präsentiert sich Lothar Böhmes »Liegender Akt«, atmosphärisch fein flirrt mit seinen Baumgruppen und Flussspiegelungen Nuria Quevedos Aquarell »Mecklenburgische Landschaft«. »Ein Sonntagnachmittag« sieht auf Werner Tübkes Lithografie von 1989 wie Commedia dell’arte in historischen Kostümen aus, Wolfgang Mattheuers scharf konturierte »Strandkörbe« schweben auf dem Strichgerüst seines Holzschnitts. Und Herta Günthers ockerbraun punktige Lithografie »Im Café« verströmt, wiewohl leicht skurril, viel Wärme. Auf altes Papier längs skizziert Horst Hussel mit Kreide »Zwei Köpfe«, die aquarellierte »Ballettszene« von Ingeborg Voss scheint in ihrer Gelenkmechanik Kandinskys Palucca-Studien vor Augen gehabt zu haben.

Wer überdies DDR-Künstler anregte, Cézanne etwa oder van Gogh, ist ebenso zu erkennen. Einen, Hans Vent, trifft man mit einer Terrakotta auch bei den 20 Positionen an Plastik aus ebenfalls sieben Jahrzehnten. Werner Stötzers Bronze »Guernica – Für Paul Eluard« beeindruckt durch den verdreht geschundenen Körper, Jenny Mucchi-Wiegmanns Bronze »Pubertät« gibt dem langen, hageren Knaben eine grobe Oberfläche, die so uneins wirkt wie er noch mit sich. Geradezu stürmend drängt es Fritz Cremers »Kleinen Torso (Maika)« vorwärts, als wolle er seine schützende Bronze verlassen.

Bis 13.8., Galerie der Berliner Graphikpresse, Gabelsbergerstr. 6, Telefon: 42 01 24 40

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