Geblähte Segel, verflixte Knoten

Acht Tage mit der »Royal Clipper« durchs Tyrrhenische Meer

  • Renate V. Scheiper
  • Lesedauer: 5 Min.
Wenn alle Segel gesetzt sind, bietet sich ein imposantes Bild.
Wenn alle Segel gesetzt sind, bietet sich ein imposantes Bild.

Unter knatterndem Feuerwerk verlässt die »Royal Clipper« abends Civitavecchia, den Hafen von Rom. Der Fünfmast-Segler startet zu einer achttägigen Kreuzfahrt durch süditalienische Gewässer. Fasziniert verfolgen 161 Passagiere – der Jüngste ist acht Monate, der Älteste 85 Jahre alt – an Deck, wie sich nach und nach alle 42 Segel automatisch entrollen und prall mit Wind füllen. Wie ein riesiger, weißer Schwan gleitet der Großsegler durch das mondhell glitzernde Wasser in die Nacht. Keiner geht vor Mitternacht in seine Kabine.

Baden im »Außenpool«

Nach der obligatorischen Rettungsübung am nächsten Morgen stehen die Passagiere begeistert an der Reling und lassen die süditalienische Küste an sich vorbeigleiten. »Die See hier unten heißt Tyrrhenisches Meer«, brüstet sich Kurt aus Bad Liebenwerda mit seinem Wissen. »Und die Landschaft heißt Kampanien.« Aha! »Er hat sich nämlich vorher informiert«, entschuldigt ihn seine Frau Gerda, der Kurts Auftritt wohl ein bisschen peinlich ist.

Gegen Mittag rasselt der Anker vor der kleinen Insel Ponza hinab. Mit 134 Metern Länge ist die »Royal Clipper« zu groß für den winzigen Hafen. Also bringen uns die »Tender« genannten Beiboote an Land – wie ab jetzt bei jedem der angelaufenen Ziele. Drei Stunden bleibt Zeit zum Bummeln im Fischerörtchen und Zeit, den ersten echten italienischen Cappuccino zu genießen.

Einen Pool hat der Segler zwar, doch wirkliche Wasserratten schwimmen oder schnorcheln lieber von der Plattform aus, die am Heck ausgeklappt wird. Das schwedische Sportteam schleppt Kanus und Surfbretter heraus. Zwei Tauchlehrer fahren mit Profis und Anfängern zu einem Riff für erste Unterwassererkundungen.

Die Gäste des Schiffes kommen aus ganz Europa, einige auch aus Übersee. Viele von ihnen sind schon mehrfach mit einem Segler unterwegs gewesen. Sie erzählen von den kleineren Schwesterschiffen »Star Flyer« und »Star Clipper« mit nur vier Masten, die, je nach Saison, auch im Mittelmeer fahren, in der Karibik, in Thailand und in der Südsee. Begeistert erzählen sie davon, dass man auf denen mithelfen könne, die Segel zu setzen. Anders als auf der »Royal Clipper«, wo alles hydraulisch funktioniert.

Höhenluft für Mutige

Am nächsten Tag ankern wir vor der steilen Felsküste, auf der der viel besungene Ort Sorrent thront. Über dreihundert Stufen führen hinauf. Zwischen Rosen, Palmen und Zitronenbäumen durchstreifen wir die malerischen Gassen. Gegenüber liegt Neapel mit dem Vesuv, dessen Ausbruch im Jahr 79 n. Chr. Pompeji zerstörte. Wir werden von Sorrent aus einen Ausflug dorthin machen.

Mutige Passagiere dürfen nachmittags während der kurzen Weiterfahrt bis Capri auf die Plattform des Großmastes über eine großmaschige und sehr bewegliche Strickleiter klettern. Kurt, der Informierte, weiß natürlich, dass es »über die Wanten aufentern« heißt. Und das teilt er natürlich allen gern mit.

Fantastisch ist der Blick aus luftiger Höhe hinüber nach Capri, die Insel der Schönen und Reichen, wo wir schon bald an Land gehen werden. Dort begeben wir uns auf die Spuren von Kaiser Tiberius (42 v. Chr. bis 37 n. Chr.), der sich auf Capri bereits vor 2000 Jahren eine Luxusvilla bauen ließ und vermutlich auch schon in der berühmten Blauen Grotte badete – was wir auch tun.

Bei genügend Wind gleitet unser »Schwan« ohne Motor lautlos von Ziel zu Ziel mit neun Knoten. »Das sind 17 Stundenkilometer«, erklärt der allwissende Kurt, der stolz am großen Steuerrad steht und nach Kompassanzeige navigiert. Natürlich unter Aufsicht des ukrainische Kapitäns Vladimir. Die Crew zeigt den Passagieren auch, wie man echte Seemannsknoten knüpft, was gar nicht so einfach ist. Um so stolzer ist jeder, wenn er den verflixten Strick endlich zu einem brauchbaren Knoten gebändigt hat.

Viel weniger anstrengend ist es, sich im Bugsprietnetz zwischen Himmel und Wasser ein Plätzchen zu suchen, die geblähten Segel über sich, die vor dem Bug weiß aufschäumenden Wogen unter sich. Mit einem bisschen Glück kann man Delfine sehen, die über die Wellen springen. Und jeden Morgen lädt Meeresbiologe Mariano zur Walbeobachtung ein. In Vorträgen erklärt er die verschiedenen Arten, wie und wo sie leben, spricht über das empfindliche Ökosystem der Meere. So lassen sich auch Tage im Regen einigermaßen angenehm ertragen. Denn leider lacht nicht jeden Tag die Sonne vom Himmel.

Abschiedsgruß vom Ätna

Auch nicht, als wir Positano an der Amalfiküste erreichen, von dem der Schriftsteller John Steinbeck schrieb, er sei »der einzige senkrechte Ort der Welt«. »Positano ohne Sonne ist wie ein Kuss ohne Liebe«, murrt Lore aus Konstanz. Die meisten finden trotzdem, dass der wie am Berg klebende, steil ansteigende Ort selbst im Regen idyllisch wirkt.

Auf Sizilien scheint wieder die Sonne. Morgens schwimmen wir von der Badeplattform aus, mittags waten wir auf dem Ätna durch tiefen Schnee und werden vom Nebel verschluckt. Als die »Royal Clipper« abends vom Bug bis zum Heck im Lichterglanz den Anker hebt, und Kurt mal wieder ganz fachmännisch erklärt, dass das in der Schiffsprache heißt, der Segler sei »über die Toppen beleuchtet«, strahlt der Gipfel im Mondlicht.

Am letzten Tag, als wir spät abends am Stromboli vorbeifahren, verabschiedet der uns mit einem besonderen Spektakel: Alle fünf Minuten spuckt er Glut und Lava aus seinem Schlot, die wie ein roter Teppich den Vulkan hinabfließen. »Das macht nichts«, weiß Kurt auch hier eine Erklärung. »Die Siedlung ist auf der anderen Seite und der Teufel spuckt immer nur hier rüber!«

  • Infos: Starclippers Kreuzfahrten, Konrad-Adenauer-Str. 4, 30553 Hannover, Tel: (0800) 78 27 25 47 (gebührenfrei) E-Mail: info@star-clippers.de, www.star-clippers.de.
  • Im August können bei vier Mittelmeerrouten zwei voll zahlende Erwachsene (ab 1885 €) zwei Kinder zu den Kosten der Hafengebühren (ca. 190 Euro) mitnehmen
  • Literatur: Zwei reich bebilderte Bücher aus dem Verlag Delius Klasing: D. Stow »Enzyklopädie der Ozeane« (16,95 Euro) und G. Soury »Wale. Sanfte Riesen der Meere.« (36 Euro).
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