nd-aktuell.de / 25.07.2009 / Kultur / Seite 13

PLATTENBAU

Gabriela Greess

Geheimagent« nennt er provozierend sein neues Album, das mit seinen harten Afrobeat-Drums und ungewöhnlichen Funk-Vibrations eingefahrene Hörgewohnheiten attackiert. Das schuldet der Star-Drummer Tony Allen nicht zuletzt Fela Kuti, seinem langjährigen musikalischen Partner, der als Begründer des Afrobeat gilt. Von 1964 bis 1980 spielte Allen mit ihm zusammen und wurde damit selbst mit zum Stammvater dieses aufrührerischen Stils, der weltweit die Musikszene nachhaltig beeinflusste.

Der 69-jährige Allen setzt heute nicht nur Kutis Musik fort, sondern auch dessen politischen Anspruch, für mehr Gerechtigkeit in ihrem Heimatland Nigeria zu kämpfen: »Was der verstorbene Fela in seinen Texten ausdrückte, all die Korruption und Missstände auf dem Schwarzen Kontinent, da hat sich leider bis heute nicht viel geändert.« »Pariwo« – »Schreit, macht euch bemerkbar« und »Elewon Po« – »Zu viele Gefangene« sind gesungene Pamphlete mit kraftvollen Bläsern, funkigem Keyboard und samtig-rauchenden Stimmen, die unter die Haut gehen. Fela Kuti, zu seiner Zeit Anführer der Quasi-Opposition im sechstgrößten Erdölstaat der Welt, kam seiner politischen Lieder wegen für eineinhalb Jahre ins Gefängnis.

In gebrochenem Englisch, untermischt mit den afrikanischen Sprachen Yoruba und Orobo, lässt Allen in eigenen Kompositionen sechs nigerianische Sänger rebellische Botschaften verbreiten. Dazu passend heißt der Untertitel der neuen CD »Weitere Folge aus der Underground-Sensation.« Mit geradezu manischer Energie ausgereizte Tenorgitarren unterstreichen diesen Anspruch.

Aber auch traditionelle Volksweisen überraschen auf der von Allen selbst produzierten CD; darunter »Atuwaba« – »Egal, ob die Dinge schlecht laufen, es wird besser.« Gespickt mit fetzigem Groove sind einige seiner Party-Tracks wie »Alutere« – »Die Botschaft der Trommeln«: In die schleichen sich immer wieder romantische Akkordeonklänge ein. Allen selbst ist mit etwas heißer röhrender Jazz-Stimme immer wieder im Lead zu hören. Sein Beat ist noch härter geworden als zu den Zeiten, als er mit Fela Kutis unvergesslicher Band »Afrika 70« durch die Welt tourte. In den neunziger Jahren machte Allen dann auch Aufnahmen mit Stars von der Größe einer Grace Jones oder Charlotte Gainsbourg.

Der gelernte Elektriker aus Lagos entschied sich in den achtziger Jahren für ein Leben im französischen Exil, nachdem er zuerst in London Anschluss an eine neu aufkeimende African-Music-Community gesucht hatte. In Paris mit dessen großer afrikanischer Gemeinde fand er den Nährboden für seine funkigen Revoluzzer-Sounds vom Schwarzen Kontinent. Auf seinem jüngsten Album hat der den African und American Jazz mit einer gehörigen Portion Soul zu einer wunderbaren Synthese verschmolzen; unterstützt von eigenen Landsleuten, Spielern aus Nigeria, Kamerun, der Antilleninsel Martinique und seiner Wahlheimat Frankreich.

Allen, einer der großartigsten Schlagzeuger aller Zeiten und einflussreichster Musiker Afrikas, fand viele seiner Vorbilder auf dem nordamerikanischen Kontinent: Die großen Leitsterne für ihn sind bis heute die Jazz-Trommler Art Blakey und Max Roach; und was seinen Funk-Einfluss angeht, steht James Brown ganz oben auf seinem persönlichen Olymp der Jazzer.

Tony Allen definiert sich gerne mit einem Zitat von seinem bis heute großen Vorbild Fela Kuti: »Kuti sagte, wenn ich spiele, dann klingt das nach vier Schlagzeugern.«

Tony Allen: Secret Agent (World Circuit/Indigo)