nd-aktuell.de / 25.07.2009 / Wirtschaft und Umwelt / Seite 9

Abtreibungsgesetz spaltet Spanien weiter

Erstmals kann sich Justizrat nicht zu einem Gesetzesentwurf äußern

Ralf Streck, Madrid
Es ist ein Novum in Spanien, dass sich der Kontrollrat für Justizgewalt (CGPJ) nicht zu einem Gesetzentwurf äußern kann, was eine seiner Aufgaben ist. Erstmals in fast drei Jahrzehnten ergab sich im CGPJ am Donnerstag ein Patt, weshalb er keine Empfehlung abgeben kann, ob das von der sozialistischen Regierung geplante Abtreibungsgesetz verfassungsgemäß ist.

Das Gesetz sieht eine Fristenregelung vor. Danach dürften Spanierinnen künftig in den ersten 14 Schwangerschaftswochen ohne Begründung abtreiben. Schon das trifft auf eine heftige Kritik der Konservativen, die, angeführt von der reaktionären katholischen Kirche, gegen das Gesetz wettern und von einer »Legalisierung des Massenmords« sprechen. Dabei wird nur eine verstaubte Regelung aus dem Jahr 1985 reformiert, die lediglich in »Ausnahmen« einen straffreien Abbruch nach einer Vergewaltigung, Missbildungen des Fötus und im Falle einer physischen und psychischen Gefährdung der Mutter zulässt. Bei schweren Gefahren für die Mutter oder Fehlbildung des Fötus können Abtreibungen in Zukunft sogar bis zur 22. Woche durchgeführt werden. Bei Verstößen sollen nur Bußgelder verhängt werden.

An der faktischen Legalisierung der Abtreibung 1985 über die »psychische Gefährdung der Mutter« hatte aber auch die Volkspartei (PP) in acht Regierungsjahren nichts geändert, die nun gegen das neue Gesetz Sturm läuft. Denn Abtreibung wird seit 1985 meist liberal gehandhabt. Bis zum Referendum 2007 in Portugal, als dort eine Fristenregelung eingeführt wurde, kam es zu einem regelrechten Abtreibungstourismus nach Spanien.

Aber auch progressivere Menschen fragen sich, ob es gut ist, dass fortan 16-jährige Mädchen die Schwangerschaft abbrechen können, ohne dass die Eltern informiert werden. Es sei ein Widerspruch dazu, dass man Jugendlichen kein Wahlrecht zugestehe, sie mit 16 Jahren kein Bier trinken und keine Zigaretten kaufen könnten. Bei Tabak und Alkohol wurden die Gesetze und die Kontrolle von den Sozialisten (PSOE) deutlich verschärft.

Im Justizrat zeigt sich erneut, wie politisiert die Justiz in Spanien ist: Die PSOE hat die Vormachtstellung der Konservativen in fünf Jahren nicht aufgebrochen. Der Clinch mit den Katalanen über die ausstehende Finanzierung der Region, hat wohl auch dazu beigetragen, dass sich der Vertreter der konservativen Konvergenz und Einheit (CiU) im Kontrollrat der Stimme enthielt. Ausgerechnet der von der PSOE eingesetzte Präsident, der mit den PP-Richtern stimmte, sorgte für die Blockade.

Mit der Ernennung von Carlos Divar, einem bekennenden Katholiken, haben sich die Sozialisten erneut ein Eigentor bei dem Versuch geschossen, die starke Rechte nicht mit der Benennung des CGPJ-Präsidenten gegen sich aufzubringen, anstatt sie in die Schranken zu weisen. Eine Besonderheit ist auch, dass Divar zudem Präsident des Obersten Gerichtshof ist, sich also als Chef des Kontrollrats selber kontrolliert. Ob die Regierung unter José Luis Rodríguez Zapatero nun das neue Abtreibungsgesetz dem Parlament vorlegt, ist unklar. Dabei wäre eine Verabschiedung sicher, weil die christdemokratische Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) es genauso befürwortet wie die Linken im Parlament.