Jamaikanische Dopingfälle zur Unzeit

Fünf Sprinter müssen trotz positiver Tests im Vorfeld der Leichtathletik-WM wohl keine Sanktionen fürchten

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum kommen die schnellsten Sprinter eigentlich meist aus einem Land? Erst die DDR-Sprinterinnen in den 80ern, dann die US-Amerikaner um die Jahrtausendwende. Oft beantworteten Dopinganalysen die Frage. Systematisches Doping in der DDR, egal ob mit oder ohne Wissen der Sportler, ist aktenkundig, und die BALCO-Affäre um die Weltmeisterinnen Kelli White und Marion Jones erschütterte die heile US-Sprintwelt.

Seit Olympia 2008 in Peking steht in den Ergebnislisten hinter den schnellsten Männern und Frauen häufig das Kürzel »JAM« für Jamaika. Da lag der Dopingverdacht nah. Mit positiven Proben von fünf Sprintern scheint er sich nun zu bestätigen, doch ist der Fall nicht so klar wie er scheint.

Zunächst einmal fehlt es an Genauigkeit. Zwar hat die Anti-Doping-Agentur Jamaikas (JADCO) die positiven A-Proben bestätigt, aber weder die exakte Substanz noch deren Konzentration sind bislang bekannt. Von einem nicht genannt werden wollenden Sprecher von JADCO kam lediglich die Information, dass es sich um Methylxanthine handeln solle.

»Davon gibt es sieben«, sagt Dr. Detlef Thieme, Leiter des Dopinglabors in Kreischa. Eines davon sei etwa Koffein, das nicht mehr auf der Dopingliste steht. Diese Stoffe wirkten nur mild stimulierend. »Handelt es sich wirklich um Methylxanthine, ist es so gut wie auszuschließen, dass sich daraus eine relevanter Dopingfall entwickelt, dem Sanktionen folgen«, meint Thieme, der die Sache für einen Papiertiger hält. »So etwas hat jeder Mitteleuropäer im Blut.«

Trotzdem kommen die jamaikanischen Dopingfälle für die Organisatoren der Leichtathletik-WM in Berlin gut zwei Wochen vor dem Start zur Unzeit. Als gerade eine Werbekampagne mit dem Konterfei des jamaikanischen Übersprinters Usain Bolt anlief, platzte die positiven Probe seines Trainingskollegen Yohan Blake hinein. Bereits bei seinen drei Fabelweltrekorden in Peking glaubten nur wenige, dass Bolt sauber sei. Mehr dürften es mit dieser Nachricht kaum geworden sein. Auch der gestern zur WM nominierte britische Ex-Dopingsünder Dwain Chambers ist in Berlin nicht gern gesehen. Ein positiver Test von Bolt wäre wohl der Super-GAU für die WM, ebenso wie ein eventueller Dopingfall eines deutschen Athleten.

Der letzte dieser Art liegt schon einige Jahre zurück. Die spektakuläre Zahnpasta-Affäre von Dieter Baumann jährt sich im Oktober zum zehnten Mal. Die Leistungen besonders der deutschen Läufer suggerierten in den vergangenen Jahren auch nicht gerade den Einsatz fördernder Mittel. Meist liefen sie der Spitze weit hinterher. Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV), hält trotzdem für niemanden seine Hand ins Feuer. »Man sieht es den Athleten ohnehin nicht an, wenn sie dopen«, sagt Prokop. Er müsse den Trainern vertrauen, die ihm versichern, kein Doping mehr bei ihren Sportlern einzusetzen. »Ich glaube, dass seit der Wiedervereinigung ein Umdenken begonnen hat«, so Prokop.

Rund um die WM hat er trotzdem über 1000 Kontrollen angekündigt. »Wir tun alles, um die Athleten vor dem Gebrauch von Doping abzuschrecken.« Positive Proben will er jedoch nicht voraussagen. Damit würde er nur spekulieren, dass einige Sportler in jedem Fall gedopt anreisten. Dass dies keiner tut, will Prokop aber auch nicht prognostizieren.

Der DLV-Präsident hofft auf schöne und spannende Wettkämpfe in Berlin. So wie er etwa der deutschen Hochsprung-Hoffnung Ariane Friedrich beim ISTAF im Juni im Olympiastadion gelang. »Hoffentlich kann sie das noch einmal wiederholen«, wünscht sich Prokop. »Und hoffentlich ist sie dabei sauber.«

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