Hochzeitsprämie noch nicht hereingeholt

Ein Jahr Verwaltungsreform in Sachsen: Minister lobt sich, LINKE sieht »politischen Schwindel«

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Jahr nach einer groß angelegten Verwaltungsreform ist der sächsische Innenminister des Lobes voll. Die Kommunen stöhnen nur ein wenig. Auf die erhofften Einsparungen muss der Freistaat aber noch lange warten.

Zur Feier wird das »Verwaltungsnetz« vorgeführt, ein Rechnernetz, das Sachsens Verwaltungen und Rathäuser verbindet. Das hat zwei Gründe: Eine Verwaltungsreform, deren einjähriges Jubiläum der sächsische CDU-Innenminister Albrecht Buttolo gestern feierte, lässt sich außer mit neuen Ortsschildern nur schwer illustrieren. Zudem ist die Anpassung von Computerprogrammen das Hauptproblem beim Fusionieren von Behörden: Wenn solche Reformen scheitern, sagt Meißens Landrat Arndt Steinbach, »dann an der EDV«.

In Sachsen scheinen die Rechner, auf denen Landesblindengeld berechnet, Elterngeld bewilligt und Jagdscheine ausgestellt werden, auch ein Jahr nach der Reform zu laufen, bei der die Zahl der Landkreise von 22 auf 10 reduziert sowie 4100 Mitarbeiter samt ihren Aufgaben vom Land an die Kreise übertragen wurden. Die Zahl der Landesbehörden sei so um 42 Prozent gesenkt worden, sagt Buttolo, der von einem »gelungenen Werk« sprach und mit Genugtuung darauf verwies, dass politische und juristische Probleme ausblieben. Eine ambitionierte Reform in Mecklenburg-Vorpommern dagegen scheiterte am Verfassungsgericht. In Sachsen hatten Klagen einzelner Kommunen sowie der Linksfraktion indes keinen Erfolg.

Auch die Landkreise sowie die Städte und Gemeinden halten sich mit Kritik zurück. Der Umbau der Verwaltung habe zumindest »nicht zu Nachteilen geführt«, sagt Christian Schramm, OB von Bautzen und Präsident des Städte- und Gemeindetages. Dem schließt sich Steinbach als Chef des Landkreistages an, auch wenn er anmerkt, der Freistaat habe die Kreise in einigen Bereichen »mit großen Arbeitsrückständen beglückt«. Auch seien Einnahmen in einigen Fällen nicht so hoch wie vom Land vorgerechnet. Wegen des anhaltenden Rückgangs der Bevölkerungszahl, die bis 2025 um 15 Prozent auf 3,7 Millionen sinkt, seien die Reformen aber unumgänglich gewesen.

Dieser Ansicht ist auch Michael Friedrich, der kommunalpolitische Sprecher der LINKEN im Landtag. Die Reform sei »nicht grundsätzlich falsch« gewesen, sagt er und verweist auf eigene Konzepte seiner Fraktion. Allerdings hätte er eine stärkere öffentliche Diskussion für notwendig gehalten, damit die Verwaltung »näher an die Bürger herangerückt« wird. In die Jubelbilanz des Ministers will Friedrich auch deshalb nicht einstimmen, weil diese in drei wichtigen Punkten unvollständig sei. Friedrich betont, dass der Freistaat die Aufgaben für die übergroße Mehrheit der 4100 übertragenen Stellen weiter selbst vorgibt; von verstärkter Selbstverwaltung der Kommunen zu sprechen, sei »politischer Schwindel«. Zudem habe das Land den »schwarzen Peter« für einen nötigen Stellenabbau auf die Kreise übertragen. Diese müssten, wie Steinbach einräumt, in den nächsten drei bis sieben Jahren bis zu 15 Prozent ihres Personals abbauen; ein Ausgleich für Mehrbelastungen, den das Land zahlt, ist bis 2011 befristet. Schließlich rechnet Friedrich vor, dass die Reform zunächst kräftig kostet, bevor die von Buttolo auf 160 Millionen Euro im Jahr bezifferten Einsparungen eintreten. »Hochzeitsprämien« für die Kreise, Umzüge und Ausgleichszahlungen kosteten allein in diesem Jahr 450 Millionen Euro.

Revidieren würde indes auch die LINKE die Reform nicht: »Das ist politisch nicht durchsetzbar«, sagt Friedrich. Buttolo schließt weitere Reformen für die nächste Wahlperiode aus. Er rechnet aber damit, dass Kommunen unter dem Druck leerer Kassen und schwindender Einwohnerzahlen »in beachtlicher Zahl« freiwillig fusionieren.

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