Reichsbanner überm Landhotel

Ungestört halten Neonazis ein Hotel bei Celle besetzt

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.
Neonazis halten das leerstehende Landhotel in Faßberg seit zwei Wochen besetzt, doch ein Gericht sieht den Fall nicht als dringlich an.

Pia Zimmermann ist fassungslos. »In Wolfsburg wollen Neonazis ein Kraft-durch-Freude-Museum einrichten, in Faßberg besetzen sie ein Hotel, und der zuständige Minister sagt kein Wort zu den Vorgängen – das ist unglaublich«, kommentierte die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion in Niedersachsen gestern die Untätigkeit von Innenminister Uwe Schünemann (CDU). Sonst so forsch, sei der in Sachen Rechtsextremismus ein »Schweigeminister«. Schünemann brauche sich nicht zu wundern, wenn ihm alle engagierten Kämpfer gegen den Neofaschismus vorhielten, auf dem rechten Auge blind zu sein.

Vor allem die Besetzung des leerstehenden Landhotels in Faßberg bei Celle sorgt im Land für Unruhe – nicht nur bei der LINKEN. Im Auftrag des Rechtsanwaltes und NPD-Funktionärs Jürgen Rieger hatte rund ein halbes Dutzend Neonazis am 17. Juli die Türschlösser des Gebäudes aufgebohrt und sich dort häuslich eingerichtet. Inzwischen haben sie die Eingänge und Fenster verbarrikadiert, ein Transparent mit der Aufschrift »Nationaler Widerstand Celle« aufgehängt und die schwarz-weiß-rote Reichsflagge gehisst. Die Eindringlinge wähnen sich im Recht. Rieger verweist auf einen Pachtvertrag für das Hotel, den er mit dem Besitzer abgeschlossen haben will. Der mehrfach vorbestrafte Rechtsextremist will das Gebäude zu einem Schulungszentrum für den rechten Nachwuchs umrüsten.

Jens Wilhelm zweifelt die Gültigkeit des Vertrages an. Er hält die Besetzung deshalb für illegal und tritt für die polizeiliche Räumung ein. Wilhelm ist Insolvenzverwalter für das Hotel. Im Frühsommer war ein Verkauf des Gebäudes in letzter Minuten gescheitert. Ein Investor, der dort ein Pflegeheim einrichten wollte, hatte 750 000 Euro geboten, die Eigentümerfamilie verlangte jedoch eine Million.

Am Montag scheiterte Wilhelm mit einem Dringlichkeitsantrag vor dem Amtsgericht Celle, das Gericht verneinte eine besondere Dringlichkeit. Für Wilhelm eine unverständliche Entscheidung. »Was soll denn dringender sein, als die Räumung eines illegal besetzten Hotels?«, fragt er. Nun wird sich am Freitag das Lüneburger Landgericht mit dem Fall beschäftigen.

Die Polizei sieht wegen der ungeklärten Rechtslage ihre Hände gebunden. Dabei hat sich die Lage rund um das abseits der Ortschaft liegende Hotel immer mehr zugespitzt. Mehrfach schon gab es gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Besetzern und linken Gegendemonstranten, einmal sollen dabei sogar Schüsse gefallen sein. Beamte stellten bei Fahrzeugdurchsuchungen Pfefferspray und Schlagstöcke sicher und leiteten schon mehrere Verfahren wegen Verstößen gegen das Waffengesetz und wegen gefährlicher Körperverletzung ein.

Seit Wochenbeginn ziehen Anwohner jeden Mittag zu Mahnwachen vor dem Gebäude auf. Sie haben Angst, dass sich die Rechtsextremisten dauerhaft in Faßberg niederlassen könnten. Die Neonazis der Kameradschaft Celle, die seit Jahren unter anderem Sonnenwendfeiern und Aufmärsche im benachbarten Eschede organisiert, gelten als äußerst gewaltbereit. »Das sind Leute, die auch hinlangen, wenn sie meinen, dass sie provoziert werden«, sagt der Präsident des niedersächsischen Verfassungsschutzes, Günter Heiß.

Heiß sagt auch, dass Riegers Pläne dieses Mal ernst zu nehmen seien. »Der hat sich schon so oft aus dem Fenster gehängt und sieht darin jetzt ein Prestigeobjekt«. Rieger hatte in den vergangenen Jahren immer wieder den Aufbau eines Schulungszentrums angekündigt. Seine Versuche, dafür eine Immobilie zu erwerben, waren aber stets gescheitert.

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