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Wozu Alkoholverbotszonen?

Der Städte- und Gemeindebund bedauert ihr Aus in Freiburg / Gerd Landsberg (56) ist Hauptgeschäftsführer des kommunalen Spitzenverbands

  • Lesedauer: 3 Min.

ND: Die Alkoholverbotszonen in Freiburg wurden gestern für rechtswidrig erklärt. Auch andere Städte haben solche Verordnungen. Sind deren Tage jetzt gezählt?
Landsberg: Unmittelbar wirkt sich das Urteil nicht auf Städte in anderen Ländern aus, weil der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim nur für das Recht in Baden-Württemberg entscheidet. Und Baden-Württemberg sollte jetzt eine neue gesetzliche Ermächtigung für die Städte formulieren.

Klagen in anderen Ländern haben nun aber auch gute Chancen auf Erfolg, oder?
Das kann sein, muss aber nicht so sein, weil die Länder zwar ähnliches, aber nicht gleiches Recht haben. In Nordrhein-Westfalen hat das Verwaltungsgericht in Köln zum Beispiel ein Alkoholverbot in Bonn bestätigt. Aber das Freiburg-Urteil wird natürlich die Klagebereitschaft der Bürger erhöhen.

Alkoholverbotszonen sollen Alkoholmissbrauch und Gewalt bekämpfen, meint der Städte- und Gemeindebund. Aber tun sie das? Dann wird eben in anderen Stadtteilen getrunken, zu Hause »vorgeglüht« oder eine Kneipe reicher gemacht.
Ein Teil der Delikte, die unter Alkoholeinfluss begangen werden, erfolgt durch Jugendliche, die in Gruppen auf öffentlichen Plätzen trinken. Seit Einführung des Alkoholverbots in Freiburg ist die Gewaltkriminalität dort deutlich zurückgegangen.

Um was für Delikte geht es?
Es geht um Schlägereien, teilweise auch Zerstörungsdelikte, etwa dass Schaufensterscheiben eingeschlagen werden.

Da kann die Polizei doch ohnehin einschreiten.
Alkoholverbote können aber vorbeugen, damit es nicht so schnell eskaliert. Die Gewaltbereitschaft nimmt mit dem Alkoholkonsum deutlich zu. Es gibt viele Möglichkeiten, und Kommunen sollten diese Instrumente auch nutzen können. Baden-Württemberg denkt zum Beispiel darüber nach, den Verkauf von Alkohol an Tankstellen zu verbieten.

Bei Stadtfesten und Biermeilen finden die größten Saufexzesse und Schlägereien statt. Da fordert aber niemand Verbote.
Alkohol ist in Deutschland eine gesellschaftlich akzeptierte Droge. Das ist unstrittig. Die Mechanismen, dass daraus bei Jugendlichen keine Exzesse entstehen, haben in früheren Jahren aber irgendwie funktioniert. Jetzt driftet es zusehends ab. Im letzten Jahr gab es 23 000 Fälle, wo Jugendliche wegen Alkoholvergiftung in eine Klinik mussten. 2004/05 waren es noch nicht einmal 9000.

Nochmals: Jugendliche trinken aber nicht weniger, weil es an bestimmten Plätzen verboten ist.
Nein. Alkoholverbote sind auch keine endgültige Lösung. Diese sind Teil eines Gesamtkonzeptes, das die Städte verfolgen. Dazu gehören Präventionsmaßnahmen und Aufklärung in der Schule. Das Alkoholverbot hat auch noch eine andere Funktion: Viele Städte haben ein Interesse, dass gerade schöne öffentliche Plätze nicht überwiegend von Leuten in Beschlag genommen werden, die betrunken sind.

Durch die Verbotszonen werden »Randgruppen« verdrängt, damit sich der Rest wohlfühlen kann – nicht sehr sozial. An deren Situation ändert sich nichts.
Sicher, ein Verbot löst kein Suchtproblem, weder bei Drogen noch bei Alkohol. Aber es ist auch kein akzeptabler Ansatz, nichts zu tun, wenn eine Mehrheit von Bürgern sich gestört fühlt, nur weil das andere möglicherweise sozialer ist.

Fragen: Ines Wallrodt

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