Überflieger reift zum Menschen

Michael Phelps muss Besiegbarkeit lernen

  • Tom Mustroph, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

Keine zwölf Monate ist es her, da wurde Michael Phelps von seinen Konkurrenten noch als Außerirdischer bezeichnet. Der Ungar Laszlo Cseh gewann bei den Olympischen Spielen in Peking drei »menschliche« Silbermedaillen hinter dem von ihm als »Alien« titulierten Phelps. In Rom ist der einstige Überschwimmer Michael Phelps selbst menschlich geworden. Er hat verloren. Fünfmal schon. Drei Mal gegen Paul Biedermann, in den Vorläufen, im Halbfinale und im Finale über 200 m Freistil, je einmal gegen den Polen Pawel Korzeniowski und den Japaner Takeshi Matsuda im Vorlauf und im Halbfinale über 200 m Schmetterling.

Die Niederlagen in der Qualifikation hatte Phelps noch gelassen hingenommen. »Ich habe meinen Lauf gewonnen und mich nicht nach den Zeiten der anderen gerichtet«, sagte der US-Amerikaner trotzig. Die Finalniederlage gegen Biedermann nagte aber an ihm. »Ich bin gar nicht schlecht geschwommen. Ich habe sogar eine meiner besten Zeiten über diese Strecke erzielt. Aber Biedermann war nicht zu schlagen. Er hat alles in eine neue Dimension gehoben«, meinte Phelps. Er erklärte seine Niederlage mit der Trainingspause nach Olympia. »Ich bin erst seit sechs Monaten wieder zurück. Ich merke den Rückstand«, sagte der Mann aus Baltimore.

Sein Coach Bob Bowman fand eine andere Ursache: »Es sind die Anzüge. Sie haben Biedermann so schnell gemacht«. Der Hallenser bestreitet die Bedeutung seiner Kunststoff-Bedeckung auch gar nicht. »Das hat bestimmt zwei Sekunden gebracht«, gab er zu. Biedermanns Vorsprung betrug 1,22 Sekunden. Phelps erkannte fair an. »Mich hat kein Anzug besiegt, sondern zuallererst ein Athlet«, sagte er. Anders als in vielen deutschen Medien gemeldet, gratulierte Phelps auch seinem Bezwinger. Zur gemeinsamen Pressekonferenz kam er aber nicht. Er hatte noch das Halbfinale über 200 m Schmetterling zu schwimmen.

Der 24-Jährige muss jetzt erkennen, dass er nicht mehr der Überathlet früherer Jahre ist. Der Sportler in ihm kann die bessere Leistung eines Konkurrenten anerkennen. Manchmal fliegt sogar ein selbstironisches Lächeln auf das Antlitz des bisher eher langweilig wirkenden Superstars. Aber dass sein Status als Überflieger angekratzt ist, nagt stark an seinem Selbstbewusstsein.

So wird das Publikum in Rom Zeuge eines spannenden Bildungsromans. Es erlebt, wie ein Junge, dem bislang alles glückte, zum erwachsenen Menschen wird, der mit Rückschlägen umgehen lernt und erkennt, dass die eigenen Möglichkeiten entgegen aller früheren Erfahrung doch begrenzt sind.

Phelps hat das Zeug dazu, daran zu reifen. Sein Umfeld offenbar nicht. Trainer Bowman nörgelt weiter über die Anzüge, die zuerst den Amerikanern Vorteile gebracht hatten: »Wir haben die Geschichte des Schwimmens verloren. Kann jetzt ein 10-Jähriger mit dem richtigen Anzug Paul Biedermann schlagen?«. Phelps nimmt es gelassen. Er glaubt, seine Zeit wird wieder kommen, mit Anzügen oder nur in Badehose.


WM in Kürze

Meter Rücken eingezogen. Nur Alexandra Gerasimenja (Belarus) war schneller. Den 16. Weltrekord von Rom schwamm die Amerikanerin Mary Descenza in 2:04,14 Minuten im Vorlauf über 200 Meter Schmetterling.

Deutsche Bestzeiten markierten Annika Mehlhorn aus Baunatal über diese Strecke und Yannik Lebherz (Darmstadt) über 200 Meter Lagen. Mehlhorn zog als Fünfte ins Halbfinale ein, Lebherz als Elfter. Bitter enttäuscht war Steffen Deibler, der als 22. über 100 Meter Freistil schon im Vorlauf scheiterte.

Die deutschen Wasserballerinnen haben die WM derweil auf Platz zehn abgeschlossen. Das DSV-Team verlor zum Abschluss 3:12 (1:3, 1:2, 1:3, 0:4) gegen Italien. Die deutschen Treffer erzielten Nina Wengst, Theresa Klein und Claudia Blomenkamp. dpa/ND


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