Jubelfeiern für Marokkos Monarchen

»M6« seit zehn Jahren auf dem Thron / König konnte durch Reformen Sympathiepunkte verbuchen

  • Abida Semouri, Algier
  • Lesedauer: 3 Min.
Zum zehnjährigen Thronjubiläum des marokkanischen Königs Mohammed VI. hat der Palast im ganzen Reich viertägige Jubelfeiern angesetzt. Bis zum Sonntag dürfen sich die 34,4 Millionen Untertanen bei Reiterspielen, Flugshows und Festen in Lobpreisungen ihres Herrschers ergehen.

Seit der Politologe und Jurist vor zehn Jahren nach dem Tod seines Vaters Hassan II. das Zepter in die Hand gedrückt bekam, entspricht er so gar nicht dem klassischen Bild des Monarchen. Der dynamische und sportliche Mann unternimmt seitdem den Spagat zwischen modernem Image und traditionellen Riten und Pflichten. Er ist der 18. Gebieter in der Alawitendynastie, die seit 350 Jahren das nordafrikanische Land regiert.

Von seinem Volk wird der weltliche und religiöse Herrscher zwar weniger gefürchtet als sein despotischer Übervater, aber nicht minder respektiert. Dazu hat nicht zuletzt der Bruch mit mehreren bei der Bevölkerung verhassten Gefolgsleuten des verstorbenen Königs beigetragen, darunter der einst fast allmächtige Innenminister Driss Basri. Außerdem entließ der junge Herrscher mehrere Oppositionelle aus der Haft, ließ sie entschädigen und ordnete ihre Rehabilitierung an.

Es waren jedoch vor allem seine reformatorischen Ambitionen im Familienrecht und in der Wirtschaft, die »M6« Sympathie eingebracht haben. Dabei lebt er selbst die neue Ära vor. Bei seiner Hochzeit mit Lalla Salma Bennani durfte sich das Volk erstmals an Fotos einer königlichen Braut erfreuen. Die selbstbewusste Informatikerin und Mutter seiner beiden Kinder hat seitdem auch erfolgreich ihren Platz als einzige Frau an seiner Seite verteidigt. Am Hofe gibt es keinen Harem mehr. Der frische Wind aus dem Palast blies bis ins Parlament und bescherte dem Land ein neues Familiengesetz, das den Marokkanerinnen Schutz und Gleichberechtigung garantiert. Es verbietet unter anderem die Verheiratung von Minderjährigen, erlaubt der Frau, die Scheidung einzureichen und stärkt ihre Position im Sorge- und Erbrecht.

Auch in der Wirtschaft werden dem König Erfolge bescheinigt. Unter seiner Regentschaft stieg das jährliche Wirtschaftswachstum auf durchschnittlich fünf Prozent. Das Investitionsklima verbesserte sich deutlich, ausländischem Kapital wurden die Tore geöffnet. Das Land erlebte einen regelrechten Boom beim Bau von Straßen, Schienenwegen und Häfen. Die Europäische Union verlieh Marokko im vergangenen Jahr einen »Fortgeschrittenenstatus«, der freien Zugang zum europäischen Markt in Aussicht stellt.

Aber immer noch regiert der siebtreichste Mann des Planeten das ärmste Land Nordafrikas und eines der weltweit korruptesten. Nach offiziellen Angaben leben 15 Prozent der Bevölkerung in Armut. 85 Prozent der Dörfer sind noch heute ohne Strom. Die Arbeitslosigkeit, von der besonders junge Leute betroffen sind, wird mit knapp zehn Prozent angegeben. Mehr als 43 Prozent der Bevölkerung können nicht lesen und schreiben. In seiner Jubiläumsrede forderte der Monarch denn auch größere Anstrengungen bei der Armutsbekämpfung und im Bildungswesen. Beide Bereiche in den Griff zu bekommen, könnte für ihn überlebenswichtig werden, hat er doch hartnäckige Gegner im islamistischen Lager. Sie rekrutieren ihre Anhängerschaft vor allem in den Slums der großen Städte.

2003 erschütterte ein Selbstmordattentat das wirtschaftliche Zentrum Casablanca und riss 45 Menschen in den Tod. Marokkanische Männer waren auch an den Terroranschlägen in Madrid beteiligt und kämpfen in Irak. Durch staatliche Kontrolle über die Imame will der König die Gehirnwäsche bei seinen jungen Gläubigen unterbinden. Zugleich lässt er seine Sicherheitskräfte hart durchgreifen. Dabei würden auch Unschuldige inhaftiert, gefoltert und verurteilt werden, kritisiert Amnesty International.

Bei aller Öffnung und Modernisierung bleibt der marokkanische König in einem Punkt der Politik seines Vaters treu: Die Westsahara steht nicht zur Disposition. Das rohstoffreiche Gebiet am Atlantik ist seit 1975 völkerrechtswidrig von Marokko besetzt. Die sahrauische Befreiungsfront Polisario kämpft seitdem für die Unabhängigkeit. Ein UNO-Friedensplan, der die Bevölkerung per Referendum über Selbstbestimmung oder Angliederung an Marokko entscheiden lassen will, scheiterte bisher am Widerstand Rabats. Auch in seiner Thronrede sprach Mohammed VI. lediglich von »Autonomie«. Wer sich dieser Haltung widersetzt, bekommt die starke Hand des Sicherheitsapparats zu spüren, ganz wie zu Zeiten Hassans II. Auch unter dessen Sohn gilt: Wer die »marokkanische« Westsahara in Frage stellt oder den König kritisiert, wird bestraft.

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