»Letzte Schicht« in Wismar

Wadan-Werftarbeiter demonstrierten durch Hansestadt / Pfiffe für Wirtschaftsminister Seidel

  • Thomas Schwandt, dpa
  • Lesedauer: 2 Min.

Auf den Trauerflor an der Werfthalle vom Wochenbeginn folgten schwarze Fahnen zum Wochenende: Mit einem Marsch durch die Hansestadt Wismar haben die Mitarbeiter der insolventen Wadan-Werften am Freitag versucht, die Öffentlichkeit angesichts der dramatischen Situation ihres Noch-Arbeitgebers wachzurütteln. Mindestens 1500 Menschen zogen durch die Straßen der Innenstadt. Bereits am Vormittag hatten sich vor dem Werkstor der Wismarer Werft rund 800 Beschäftigte versammelt. Mit Transparenten und schwarzen Flaggen setzte sich der Zug wenig später in Richtung Marktplatz in Bewegung.

Betriebsratschefin Ines Scheel sprach vor dem Rathaus von »Wut und Trauer«. Dieser letzte Tag der Werft sei »einer der schwärzesten Tage für Wismar«. Sie sei »maßlos enttäuscht« – auch und vor allem von der Politik.

Nicht gut davon kam Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), weil er an diesem schwierigen Tag nicht bei den leidgeprüften Werftarbeitern, sondern in Russland weilt. Scheel warf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, trotz mehrfacher Einladung nicht den Weg auf das Werftgelände gefunden zu haben. Sellering wies die Kritik zurück. Die Situation sei so schwierig, dass Politik jede Möglichkeit der Unterstützung wahrnehmen müsse, sagte er dem Radiosender Antenne Mecklenburg-Vorpommern. Die Werftarbeiter würden verstehen, dass sein Platz eher in St. Petersburg sei, um solche Gespräche zu führen.

Zuvor hatte Scheel darüber informiert, dass bis zum frühen Morgen 78 Prozent der Beschäftigten die notwendigen Aufhebungsverträge für den Übergang in die geplante Transfergesellschaft unterschrieben hätten. Sie zeigte sich überzeugt, dass die notwendige Zustimmung von 95 Prozent im Verlauf des Tages erreicht wird.

Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU), der auf dem Marktplatz mit Pfiffen und Buhrufen empfangen wurde, bat um Verständnis für das Krisenmanagement der Landesregierung. Er könne »heute und hier nichts versprechen« – versicherte aber, die Politik werde »alles rechtlich Mögliche und volkswirtschaftlich Vertretbare unternehmen, um den Standort zu sichern«. Während der Minister noch sprach, legte Werftarbeiter Dirk Hacker seine blaue Arbeitsjacke vor dem Rednerpult ab. Er wollte mit dieser spontanen Aktion deutlich machen, dass es heute für ihn und seine Kollegen die »letzte Schicht« war. Der 52-Jährige arbeitete 35 Jahre auf der Werft.

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