CDU-Rückzug an der Bratwurstfront

Wahlkampfauftakt in Thüringen: Brachialkampagne der Jungen Union gegen Bodo Ramelow nach Protest der LINKEN gestoppt

  • Peter Liebers
  • Lesedauer: 4 Min.
In Thüringen beginnt heute der heiße Wahlkampf für die Landtagswahl am 30. August. Die Junge Union zeigte schon vorab, wie sie die Aufforderung ihres Landeschefs Dieter Althaus umzusetzen gedenkt, der zu einem fairen Wahlkampf aufgerufen hatte.

Mit einer Kampagne »Stoppt Ramelow« geriet die Junge Union auf schlüpfrige Abwege. Auf einem Plakat stellte sie »echte Thüringer« in Gestalt der Rostbratwurst dem »falschen Thüringer« Bodo Ramelow gegenüber. Der sei »keiner von uns und keiner für uns«. Für Ramelow, den Kandidaten der LINKEN für das Ministerpräsidentenamt, ist das Ausdruck schierer Angst vor dem Machtverlust der CDU. Diese Art und Weise zeige, dass die CDU tief verängstigt ist, sagte er dem ND. Dieses »Angstbeißen« mache deutlich, wie groß die Nervosität und Angst der bislang allein regierenden Union ist. Das sei aber wenig verwunderlich. Ein geschwächter Dieter Althaus, der in Umfragen nur 42 Prozent Zustimmung erhalte und als amtierender Ministerpräsident nicht einmal mehr einen Amtsbonus habe, ziehe auch seine Partei, die bei 40 Prozent liegt, nicht nach vorn.

Bedenklich ist für , dass der Inhalt dieser Angstkampagne direkt dem Geist des Kalten Krieges entspringt und offenbar eine bestimmte Form von Ressentiments bedienen sollte. »Das ist, finde ich, das Widerwärtige – dass hier eine fast rassistische Grundtonart drin ist«, so Ramelow. Westdeutsche, die konservativ seien – wie der frühere rheinland-pfälzische und spätere Thüringer Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) mit all seinen Leuten, die er in diverse Ministerien geholt habe – lasse man als Thüringer gelten. »Ich lebe seit 19 Jahren in Thüringen, war in Bischofferode als Schlichter tätig und stand in vielen Auseinandersetzungen wie beim Kampf um die Konsumgenossenschaft oder um den Erhalt von Arbeitsplätzen immer an der Seite der Menschen. Und nun werde ich als Fremder diffamiert.« Und das in einem Bundesland, das jeden Tag von 121 jungen Leuten verlassen werde, so der als HBV-Gewerkschafter 1990 aus Hessen nach Thüringen gekommene Ramelow.

Diese Art der Auseinandersetzung erinnere an die Kampagne der NPD-nahen Jungen Nationaldemokraten, die mit dem Slogan »Bratwurst statt Döner« Ausländerfeindlichkeit schüre. »Offenkundig merkt die Junge Union gar nicht, in welches braune Umfeld sie sich begibt«, um Gefühle gegen einen linken Politiker zu mobilisieren, betonte Ramelow. Und merkte am Rande an, dass die auf dem Plakat der Jungen Union abgebildete Thüringer Spezialität einen Kardinalfehler habe: Mit einer Bratwurst in einer Serviette zeige die Junge Union selbst, »dass sie nicht von hier ist«.

Ramelow sieht noch weitere fatale Parallelen. »So wie mein Besuch bei der Geraer Dagro GmbH am Donnerstag sofort von der NPD begleitet wurde, so wollte jetzt auch die Junge Union meine Veranstaltungen begleiten«, konstatierte er. Die Junge Union hatte in einer E-Mail zum »gezielten Begleiten« von Ramelows Wahlkampfauftritten aufgerufen. Dabei solle aber »zivil« aufgetreten werden und nicht die CDU oder das Team Thüringen damit in Verbindung gebracht werden. Beim Team Thüringen handelt es sich um einen Althaus-Unterstützerkreis.

Der Bundeswahlkampfleiter der LINKEN, Dietmar Bartsch, erklärte, es gehe nicht darum, wo jemand geboren sei, sondern darum, welche Politik er für das Land mache. Die Thüringer hätten am 30. August die Wahl »zwischen jemandem, der in der Blockpartei CDU bis 5 nach 12 für die DDR aktiv war«, und »einem gestandenen Gewerkschafter«, der nach der Wende nach Thüringen kam und sich von Anfang an vor allem für die Interessen der Beschäftigten eingesetzt habe. Bartsch forderte Ministerpräsident Althaus auf, die »Schmutzkampagne« der CDU-Jugend in Thüringen, mit der die Grenze der politischen Kultur überschritten worden sei, »sofort zu stoppen«. Diffamierungen und billiger Populismus hätten im Wahlkampf nichts zu suchen.

Und der Wahlkampfchef der LINKEN wurde erhört. Am gestrigen Nachmittag pfiff die Thüringer CDU die Junge Union zurück – wenn auch nur halbherzig. Die Intention der Nachwuchspolitiker sei zwar richtig, so CDU-Geschäftsführer Andreas Minschke in Erfurt, »aber bei manchen Motiven ist ihnen der Gaul durchgegangen«. Beanstandete Fotos sollen aus dem Internet entfernt werden.

Die LINKE in Thüringen hielt sich derweil nicht lange mit den CDU-Angriffen auf. Sie kündigte gestern ein 100-Tage-Programm an, mit dem sie die SPD – ob als Regierung oder in der Opposition – nach der Landtagswahl unter Druck setzen will.

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