Alt geworden im Gefängnis

Im Jahr 2005 stellte das Land letztmalig Nachwuchs ein / Vollzugspersonal im Schnitt 48 Jahre

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 2 Min.

Nicht nur die Lehrer werden im Durchschnitt immer älter, auch das Wachpersonal in den Gefängnissen ist von diesem Wandel betroffen. Der Gefangene, der am 20. Juni aus der Rettungsstelle in Brandenburg/Havel seinen Bewachern leichtfüßig entsprang, war 31 Jahre alt und körperlich offenbar fit. Jeder der beiden Strafvollzugsbediensteten, die ihn bewachen und nach der Behandlung wieder ins Gefängnis zurückbringen sollten, hätte theoretisch sogar sein Vater sein können. Sie waren 49 beziehungsweise 52 Jahre alt.

Dass aber ausschließlich der Altersunterschied den Ausschlag für die gelungene Flucht gegeben haben soll, will Justizministerin Beate Blechinger (CDU) nicht unerwidert stehen lassen. Dem flüchtenden Gefangenen sei zugute gekommen, dass er mit der »Örtlichkeiten vertraut war«. Zudem habe ihn das Überraschungsmoment begünstigt und ihm einen Vorsprung verschafft. »Ob unter diesen Umständen ein jüngerer Bediensteter die Flucht hätte vereiteln können, ist keineswegs sicher«, entgegnete die Ministerin auf eine parlamentarische Anfrage des SPD-Landtagsabgeordneten Ralf Holzschuher.

Nichtsdestotrotz musste Blechinger einräumen, dass sich Überalterungstendenzen auch im brandenburgischen Justizwesen breitmachen. Im Jahr 2012 sollen im Strafvollzug noch 1108 Menschen tätig sein. Das bedeutet einen Rückgang um rund 300 Stellen gegenüber 2004. Der Stellenabbau im öffentlichen Dienst wird in Deutschland gewöhnlich dadurch realisiert, dass nur selten oder überhaupt nicht junge Leute eingestellt werden, wenn jemand in den Ruhestand geht. Laut Blechinger wurden im Jahr 2005 die letzten 20 neuen Anwärter im Strafvollzugsdienst eingestellt. Seither wurden auch keine mehr ausgebildet.

Dies habe sich »naturgemäß auf die Altersstruktur ausgewirkt«, räumte sie ein. Das Durchschnittsalter sei seit 2005 von 44 auf 48 Jahre angestiegen, allein bei den männlichen Bediensteten habe es sogar 49 Jahre erreicht.

Sie persönlich befürworte, dass in den kommenden Jahren jährlich wieder wenigstens 20 Anwärter eingestellt werden, sagte Blechinger. »Ich hoffe deshalb sehr, dass uns dies ab dem kommenden Jahr gelingt.«

Einstellungen seien überfällig, findet der Landtagsabgeordnete Matthias Loehr (Linkspartei). Hier hätte schon längst etwas getan werden müssen. Die Linksfraktion habe das auch immer wieder gefordert.

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