Eine Währung für die Welt

Vor 95 Jahren wollte der Ökonom Keynes den Bancor einführen

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 4. August vor 95 Jahren ging mit dem Ersten Weltkrieg auch der Goldstandard verloren. Das wollte John Maynard Keynes ändern und erfand den Bancor. Heute spielt China mit dem Bancor, um den Dollar als Leitwährung zu ersetzen.

Der Mathematiker, Politiker und populäre Ökonom John Maynard Keynes war auch ein Spekulant. Im August 1919, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, ging der Engländer mit geliehenem Kapital riskante Devisentermingeschäfte ein. Er kaufte Dollar, norwegische und schwedische Kronen, weil er glaubte, diese Länder würden langfristig zu den Gewinnern der Weltwirtschaft gehören. Damit behielt er zwar historisch irgendwie recht, aber seine Spekulation endete lange vorher mit bösen Verlusten.

Keynes Schlussfolgerung: »Der Markt kann sich länger irrational verhalten, als man selbst zahlungsfähig bleibt.« Wahrscheinlich inspirierte Keynes diese kostspielige Erfahrung für die Idee der Einheitswährung namens »Bancor«. Mit dieser einen Währung für die Welt wollte Keynes nicht allein der Devisenspekulation ein Ende machen, sondern auch faire Preise für Rohstoffe sichern.

Zwar nicht mit einer Weltwährung, aber doch mit festen Wechselkursen war Keynes einst aufgewachsen. Vor dem Ersten Weltkrieg hatte der Goldstandard für stabile Devisenkurse zwischen Dollar, Pfund und Mark gesorgt. Doch seit dem 4. August 1914 lag nicht mehr für jeden papierenen Geldschein hartes Gold in den Tresoren der Nationalbanken und die Wechselkurse in der turbulenten Nachkriegszeit schwankten stark.

Turbulent geht es auch heute zu. Der neue Euro gilt zwar international als vergleichsweise stabil und nimmt einen immer größeren Anteil auf dem Devisenmarkt ein, aber auch er flattert in kurzer Zeit hin und her. So kostete 1 Euro zeitweilig nur 0,85 US-Dollar, zeitweilig aber auch fast doppelt so viel, nämlich 1,60 Dollar.

Damit nimmt der schwankungsanfällige Wechselkurs entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaft. Nicht nur viele Käufer von Milch und Fleisch rechnen nämlich mit jedem Cent, sondern auch die internationalen Käufer von deutschen Maschinen oder japanischen Autos kalkulieren mit jeder Stelle hinterm Komma. Ebenso entscheidet beim Import von Erdöl oder Kaffee ist der Wechselkurs über den tatsächlichen Preis.

Durch einen festen Wechselkurs wäre Schluss damit und zumindest in diesem Punkt würde Stabilität auf dem Weltmarkt einkehren. Hier kommt nun der Politiker Keynes ins Spiel. Auf der Konferenz von Bretton Woods schlug er 1944 seine Weltwährung vor. Bancor entsprach damals den britischen Interessen. Das Land war durch den Krieg im Ausland hoch verschuldet. Dagegen sahen sich die USA auf der Siegerstraße und koppelten lieber die Währungen der anderen Länder fest an ihren Dollar. Dieses System hielt bis in die siebziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts. Seither schwanken die Kurse der wichtigsten Währungen.

Keynes hatte den zentralen Konstruktionsfehler des Bretton-Woods-Systems erkannt: Nicht eine nationale, sondern eine synthetische Währung sollte die Weltleitwährung sein: der Bancor. Heute ruft unter anderem Attac danach. »Wenn die Notenbanken die Wechselkurse zum Bancor gemeinsam festlegen und verteidigen, profitieren alle von höchster Stabilität.«

Dagegen warnt Henning Vöpel vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) vor einer trügerischen Ruhe. Ländern die auf feste Wechselkurse setzen, verzichten auf einen »Anpassungsmechanismus« und das kann Probleme bereiten. So wurde die Asienkrise 1997/98 ausgelöst durch Finanzjongleure, die erfolgreich gegen feste Wechselkurse spekulierten.


USA und China

Das Beispiel China (Exporteur) – USA (Importeur) zeigt die Schwäche fester Wechselkurse. Damit dieser Sicherheitsgurt nicht reißt, müssen gleichzeitig der Kapitalverkehr über die Grenzen hinweg kontrolliert und eingeschränkt werden sowie die politische Unabhängigkeit der Notenbanken eingeschränkt werden.

China, das diesen Dreiklang beherrscht, lockert seit 2008 langsam sein Währungsregime. Nach und nach wird der Renminbi aufgewertet. Zugleich geht Peking politisch in die Offensive und denkt laut über eine Ablösung des Dollar als globale Leitwährung nach. hape

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