Dabeibleiben wäre alles

Sachsens SPD will auch nach der Wahl mitregieren – und weicht Koalitionsfragen aus

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach ihrer schwersten Niederlage rutschte Sachsens SPD 2004 in die Regierung. Dort will sie nun um jeden Preis bleiben – vorgeblich nur, um Schwarz-Gelb zu verhindern.

Wenn nur nicht immer diese Umfragen wären. Bei 20 Prozent steht die SPD an diesem Tag, und Thomas Jurk wirkt sehr angespannt. Wären es 20 Prozent für die Genossen in Sachsen – ihr 47-jähriger Spitzenmann hätte allen Grund zur Freude. Schließlich hätte die Partei ihr Ergebnis von 2004 damit mehr als verdoppelt, als sie im Freistaat auf ihr Allzeit-Tief von 9,8 Prozent stürzte. Ein Fünftel der Wählerstimmen werden ihr indes nun für den Bund prophezeit. »Wir haben es«, stöhnt Jurk, »als Sozialdemokraten derzeit nicht leicht.«

Noch hofft Jurk, dass ein »harter Wahlkampf« die nur 4400 Mitglieder kleine Landespartei vor einem erneuten Debakel bewahren kann. »Kämpfen, kämpfen und nochmals kämpfen«, lautet seine Devise für die Kampagne, zu der ein Parteitag unter freiem Himmel ebenso gehört wie Comic-Filme im Internet. »Thomas hat früher als Funkmechaniker gearbeitet«, heißt es in dem Streifen im Stil der »Sendung mit der Maus« über den etwas steif herumstehenden stämmigen Mann mit der hohen Stirn und den aufgekrempelten Anzugärmeln: »Heute hat er eine Antenne für die Sorgen der Menschen.«.

Sorgen machen den Sachsen nach Jurks Ansicht vor allem der Verlust von Jobs in der Krise und die Zukunft der Bildung, weswegen er gern darüber reden und den bisher »blutleeren Wahlkampf« beenden würde: Sein Thema sei »nicht die DDR«, sagt er in Anspielung auf die Debatte um die Biografie von CDU-Regierungschef Stanislaw Tillich. Pikant ist, dass diese von seinem Parteifreund Karl Nolle losgetreten worden war, der als bissigster Oppositionspolitiker in der Koalition von CDU und SPD galt. Jetzt indes gibt er sich sanftmütig: Er sei »für eine Neuauflage von Schwarz-Rot«, sagte er der »Freien Presse«, Tillich würde er selbstverständlich zum Ministerpräsidenten wählen. »Wenn wir erfolgreich sein wollen«, lächelt Jurk, »müssen wir alle an einem Strang ziehen.«

Erfolg heißt für die SPD: In der Regierung bleiben. 2004 rettete sie nur die Not-Ehe mit der ebenfalls hart gerupften CDU vor dem Sturz in die Bedeutungslosigkeit; nach fünf Jahren permanenter Hakeleien und fortwährender Demütigungen klammert sie sich an die Koalition. Angeführt werden staatstragende Gründe: Könnten CDU und FDP gemeinsam regieren, würden sie »alles, was wir mühsam aufgebaut haben, sofort wegwerfen«.

Die selbst erstellte Erfolgsliste der SPD in Sachsen ist lang und nennt Förderprogramme für den Mittelstand, die Verhinderung von Studiengebühren, ein kostenfreies Vorschuljahr oder Gemeinschaftsschulen. Verglichen mit den eigenen Ansprüchen, sei das eine magere Bilanz, krittelt die Opposition. Offene Punkte wie ein Personalvertretungsgesetz, gemeinsames Lernen aller Schulkinder bis Klasse 8 oder kostenfreies Mittagessen seien auch in Zukunft mit der CDU nicht zu verwirklichen, sagt André Hahn, Spitzenmann der LINKEN: »Mit uns dagegen könnte die SPD 80 Prozent ihres Programms umsetzen.« Tatsächlich sind manche Slogans von LINKER und SPD fast austauschbar.

Jurk indes weicht Fragen zu einem möglichen Mitte-Links-Bündnis beharrlich aus und erklärt, Koalitionen stünden schließlich nicht auf dem Wahlzettel: »Von uns gibt es keine Koalitionsaussage.« Statt dessen preist er die Regierungsfähigkeit seiner Truppe: Sie sei der »stabilisierende Faktor« in Sachsens erster Koalition gewesen; mit ihr seien die ersten schuldenfreien Etats ausgehandelt worden: »Das hat die CDU in den 14 Jahren zuvor nicht geschafft.« Die SPD sei deshalb »auch in der nächsten Regierung unbedingt erforderlich«.

Ob es dazu reicht, ist fraglich. Die CDU hat bereits erklärt, Jurks Truppe wenn irgend möglich den Laufpass geben und mit der FDP regieren zu wollen. Jurk selbst erklärt, er traue sich inzwischen sogar das Amt des Ministerpräsidenten zu. Er wolle aber Realist bleiben: »Ich freue mich auch über 15 bis 20 Prozent sehr.« Das freilich sind jetzt Prognosen für den Bund. In Sachsen drückt mancher den Genossen die Daumen, dass ihr Ergebnis wieder zweistellig wird.

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