nd-aktuell.de / 07.08.2009 / Kommentare / Seite 14

Gegensätze verdeutlichen

Bernd Riexinger
Gegensätze verdeutlichen

Die einfachste und sicherlich falscheste Antwort wäre, weil die Krise bei den meisten Menschen noch nicht angekommen ist. 40 Prozent beantworten die Frage, ob sie von der Krise betroffen sind, mit Ja. Im Hauptland der Kurzarbeit, in Baden-Württemberg, bangen viele um ihren Arbeitsplatz, wenn die Kurzarbeit ausläuft. Außerdem löst direkte Betroffenheit noch lange keinen Trend nach links aus. Viele hoffen und mögen gerne den Merkels, Steinbrücks und von Guttenbergs glauben, dass die Krise schnell wieder in einen Aufschwung übergehen und Deutschland daraus gestärkt hervorgehen werde. Kassandrarufe der Linken, nach denen wir es mit einer Jahrhundertkrise zu tun haben, die nicht so schnell vorübergehen wird, werden schnell als ewige Schwarzmalerei abgetan.

Dazu kommt, dass DIE LINKE als Partei der sozialen Gerechtigkeit gilt, die in erster Linie für die Beseitigung der Verteilungsungerechtigkeit zuständig ist. Wirtschaftliche Kompetenz wird ihr nicht oder nur wenig zugesprochen. Das ist sicherlich grotesk, hat doch gerade DIE LINKE als einzige Partei vor den Gefahren des finanzgesteuerten Kapitalismus gewarnt und die Krise vorausgesagt. Die Große Koalition hat sich dabei nicht geniert, vorher belächelte Vorschläge der Linken aufzugreifen und als ihre eigenen anzugeben. Dabei erweckt sie den trügerischen Eindruck, sie hätte die Lage im Griff. Schließlich habe die Bundesregierung durch beherztes Eingreifen den völligen Zusammenbruch des Finanzsystems verhindert. Ideologisch verfänglich, aber durchaus beabsichtigt, bauen sie die Legende auf, dass es jetzt darauf ankommen würde, gemeinsam aus der Krise herauszukommen. Alle müssten ihren Anteil dazu beitragen. Hier wird gezielt der Eindruck erweckt, Kapital und Arbeit hätten gemeinsame Interessen, die Krise zu bewältigen. Für diese Positionen sind durchaus erhebliche Teile der Gewerkschaften empfänglich, von der SPD ganz zu schweigen.

Hier muss DIE LINKE ansetzen. Sie muss deutlich machen, dass sich ihre Konzepte zur Krisenlösung diametral von denen der etablierten Parteien und der Kapitalverbände unterscheiden, die Interessen von Kapital und Arbeit an der Lösung der Krise gänzlich verschieden sind. Dabei kann DIE LINKE daran anknüpfen, dass von fast allen nicht neoliberalen Ökonomen die gigantische Umverteilung der letzten 25 Jahre von Unten nach Oben und die Konzentration wachsender Teile des gesellschaftlichen Reichtums in wenigen Händen als wesentliche Ursachen der Krise bezeichnet werden. Die Rückumverteilung von Reichtum und Vermögen, durch Millionärssteuer und dauerhaft höherer Belastung großer Vermögen ist ein wesentlicher Schutzwall gegen die Abwälzung der Krisenlasten auf die Mehrheit der Bevölkerung. Auf der anderen Seite der Verteilungsfrage, den Löhnen, kann die LINKE klar punkten, indem sie verdeutlicht, warum in der Krise die Senkung der Löhne krisenverschärfend wirkt und gesetzliche Mindestlöhne den Fall nach unten begrenzen.

Die bürgerlichen Parteien, wie auch die SPD, erwecken den Eindruck, nach »Bewältigung« der Krise könne es einfach so weitergehen wie vorher. Das kommt sicherlich dem Wunsch großer Teile der Bevölkerung entgegen, doch dämmert es mehr und mehr Menschen, dass das nicht so einfach möglich und vor allem nicht wünschenswert ist. Es ist schade, aber nicht ganz unverschuldet, dass DIE LINKE häufig eher als Partei der noch höheren Konjunkturprogramme erscheint und weniger als progressive Kraft, die für ein neues Entwicklungs- und Zukunftsmodell steht. Im Wahlprogramm sind gute Ansätze vorhanden, die zumindest Tendenzen der Transformation in eine soziale und solidarische Gesellschaft aufzeigen. Beispiele wie Opel, Karstadt oder auch die Banken machen deutlich, dass die marktwirtschaftliche »Lösung« der Krise und ein »Weiter so« die sozialen und ökologischen Kosten dramatisch in die Höhe treiben würden. Hier Ansätze eines Zukunftsentwurfes zu entwickeln, der für die Menschen nicht bedrohlich sondern glaubwürdig und attraktiv wirkt, könnte der Linken den dringend notwendigen Aufschwung verschaffen.

Bernd Riexinger, 1955 geboren, ist ver.di-Geschäftsführer des Bezirks Stuttgart und Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der Linkspartei in Baden-Württemberg. 2003 gehörte er zu den Initiatoren der Protestbewegung gegen die Agenda 2010 der rot-grünen Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder.