Mehr als nur der Turm

Ausstellung in Paris: Leben und Werk von Gustave Eiffel

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 5 Min.
Zeitgenössische Karikatur
Zeitgenössische Karikatur

Den Pariser Eiffelturm kennt man auf der ganzen Welt. Für viele ist er das Symbol für Frankreich schlechthin. Weder kalter Wind noch stechende Sonne können ausländische Touristene abhalten, sich geduldig in die Schlange einzureihen, um aus 300 Metern Höhe den Blick auf Paris zu genießen. Anschließend kaufen viele noch eins der scheußlich kitschigen Souvenirs, die die markante Silhouette des Eiffelturms verewigen.

Für die Hauptstädter ist der Turm Alltagskulisse, und so verwundert es nicht, dass es bisher in Paris noch nie eine Ausstellung über den Turm oder seinen Schöpfer Gustave Eiffel aus Dijon gab. Dieses Manko wird jetzt ausgeglichen. Zum 120.Jahrestag der Errichtung des Tour Eiffel ist noch bis Ende September im Pariser Rathaus eine Ausstellung über Leben und Werk von Gustave Eiffel zu sehen. Fast alle Exponate stammen aus dem Familienarchiv, das dem Staat übergeben wurde.

Neben vielen Fotos und Modellen von Bauwerken sowie Konstruktionszeichnungen, die es mit ihren akkuraten Linien und feinen Schattierungen mit vielen künstlerischen Stichen aufnehmen könnten, wartet die Ausstellung auch mit zahlreichen Familienfotos, Briefen, Filmausschnitten und Tonaufzeichnungen auf, die einen aufschlussreichen Eindruck von der verschlossenen und daher bisher kaum bekannten Persönlichkeit des Turmerbauers vermittelt. Nicht zuletzt wird hier deutlich, was Eiffel vor und nach dem Bau des Turm betrieb, der seinerzeit »300-Meter-Turm« hieß und erst später nach ihm benannt wurde.

Eiffels Vorfahren hießen ursprünglich Boenickhausen, stammten aus der Nähe von Köln und ließen sich um 1700 in Frankreich nieder. Gustave, der seinen Familiennamen erst 1880 offiziell in Eiffel ändern ließ, wurde 1832 in Dijon geboren. Er studierte in Paris Ingenieurwissenschaften und begann seine Karriere bei einer belgischen Firma, die in Bordeaux eine Eisenbahnbrücke über die Garonne zu bauen hatte. Der Erfolg bewog ihn, seine eigene Metallbaufirma zu gründen. Dazu suchte er eine Frau aus vermögendem Hause, wie Briefe bezeugen, die Eiffel an seine Mutter geschickt hat und in denen er sie mit der Brautschau beauftragte. »Sie soll eine gute Hausfrau und Mutter sein, keinen ausgeprägten Charakter haben und nicht zu viel von den Dingen des Leben wissen, so dass sie leicht zufriedengestellt werden kann.« Als die gewünschte Frau gefunden war, wurde 1862 geheiratet, und in 15 Jahren Ehe brachte sie fünf Kinder zur Welt, bevor sie mit erst 32 Jahren im Kindbett starb. Eiffel zeigte sich nicht sonderlich erschüttert, wie überhaupt in Briefen, Dokumenten, Fotos oder Berichten von Zeitzeugen kaum Zeichen von Gefühlen bei ihm zu entdecken sind. Dagegen ist er ein äußerst innovativer Ingenieur und Unternehmer.

Seine internationalen Ruf als Meister des Metallbaus begründet er mit dem Bau der kühnen Bogenbrücke über den Douro in nordportugiesischen Porto. Es folgen eine nicht weniger gewagte Brücke über das Garabit-Tal im französischen Zentralmassiv, die 84 Meter weite Kuppel des Observatoriums von Nizza, der Bahnhof von Budapest, die Stützarmaturen der Freiheitsstatue von New York und viele weitere Bauten, die ihm weltweiten Ruhm verschaffen. Gleichzeitig verdient er ein Vermögen mit dem serienweisen Bau von leicht zu montierenden Bausätzen für kleine Brücken, die massenweise in französischen und englischen Kolonien in Afrika und Asien sowie in Südamerika Einsatz finden. Als die französische Regierung zur Weltausstellung 1889 – 100 Jahre nach der Revolution – einen 300 Meter hohen Turm bauen lassen will, der das technische Können, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die weltpolitischen Ansprüche des Landes symbolisieren soll, reicht Eiffel den Entwurf ein, der von zweien seiner Ingenieure stammt und den er ihnen abgekauft hat. Dank seiner politischen Beziehungen wird die Ausschreibung so formuliert, dass nur sein Turm siegen kann. Für die Finanzierung sorgt Eiffel mit seinem Vermögen und Bankkrediten. Dafür bekommt er den Baugrund und die Konzession für die Nutzung des Turms über 20 Jahre. Danach soll er ihn auf seine Kosten wieder abreißen.

Der Bau ist ein technisches und organisatorisches Meisterwerk. Die 18 000 Teile werden in Eiffels Werk im Pariser Vorort Levallois-Perret nach den Konstruktionszeichnungen so genau gefertigt, dass sie auf der Baustelle ohne einen Feilenstrich zusammenpassen und durch insgesamt zweieinhalb Millionen Nieten miteinander verbunden werden können. Als der Turm nach 27 Monaten Bauzeit – drei Wochen vorfristig – fertig ist, hat Eiffel, der acht Millionen Francs veranschlagt hatte, genau 7 799 401,31 Francs ausgegeben. Diese Summe hatte sich in nur zwei Jahren amortisiert.

Da der Turm – abgesehen von den Protesten einiger Künstler und Schriftsteller gegen das »hässliche Ungetüm« – von den Pariser und den Besuchern der Stadt schnell angenommen wurde, spülte er bald Jahr für Jahr Millionen von Francs an Reingewinn in die Kassen. Noch ungleich mehr verdiente Gustave Eiffel in den selben Jahren mit dem Entwurf und dem Bau der Schleusen für den Panamakanal. Doch als die Baugesellschaft Konkurs anmelden musste und unzählige Kleinaktionäre ruiniert wurden, geriet Eiffel öffentlich an den Pranger, weil er einer der wenigen Nutznießer der Pleite war. Ein Gericht verurteilte ihn zu zwei Jahren Gefängnis, von denen er aber nur wenige Tage absitzen musste, bevor er amnestiert wurde. Verbittert zog er sich aus den Geschäften zurück und verbrachte die letzten Jahrzehnte bis zu seinem Tod 1923 mit wissenschaftlichen Strömungs- und Windkraft-Experimenten auf dem Turm und in einer Halle für Strömungsversuche, die er sich bauen ließ und die noch heute in Betrieb ist.

Die Gefahr, den Turm wirklich abreißen zu müssen, konnte er abwenden, indem er ihn ab 1908 für erste Funktelegrafieversuche zur Verfügung stellte. Das verschaffte der französischen Armee im Ersten Weltkrieg große taktische Vorteile und leitete eine neuen Karriere des Turms als Träger von Rundfunk- und Fernsehantennen ein. Erst 1931 wurde er durch das Empire State Building in New York vom Spitzenplatz des höchsten Baus der Welt verdrängt. Heute ist der Eiffelturm mit jährlich 6,8 Millionen zahlenden Besuchern das meistbesichtigte Baudenkmal der Welt – und nicht zuletzt hat er den Namen von Gustave Eiffel unsterblich gemacht.

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