Keine Zeit fürs Campen

Klima-Aktivisten konzentrieren sich auf lokale Vernetzung und internationale Mobilisierung

  • Felix Werdermann
  • Lesedauer: 3 Min.
Eigentlich sollte an diesem Wochenende das zweite Klimacamp enden. Nun gibt es stattdessen ein Aktionswochenende an der geplanten Flughafenlandebahn bei Frankfurt. Das nächste Groß-Event kommt im Dezember – dann findet in Kopenhagen der Weltklimagipfel statt.

Im letzten Sommer sorgte es für große Schlagzeilen: Selbst die Bild-Zeitung berichtete über das gemeinsame Camp von Klima- und Antirassismus-Aktivisten in Hamburg. Über 1000 Menschen haben eine Woche lang gezeltet, diskutiert und Aktionen durchgeführt. Höhepunkt war die Besetzung eines Krans auf dem Baugelände für das Kohlekraftwerk Moorburg. Dieses Jahr war von der »neuen«, spektrenübergreifenden Klimabewegung bislang wenig zu merken. Ein großes, mehrtägiges Klimacamp wird es nicht geben, stattdessen ein lokales Aktionswochenende in der Nähe von Frankfurt am Main.

Die »Wahnsinns Tage« beginnen heute in der Kleinstadt Kelsterbach. Sie ist unter Klimaschützern wohlbekannt – hier sollen gut 300 Hektar Wald gerodet werden, um eine weitere Landebahn für den Frankfurter Flughafen zu bauen. Monatelang wurde der Wald besetzt, Aktivisten harrten in Baumhäusern aus, im Februar hat die Polizei geräumt. Inzwischen ist über die Hälfte der Fläche abgeholzt. »Die Landebahn werden wir sicherlich nicht verhindern können, aber wir werden dafür sorgen, dass das nicht im Stillen passiert«, sagt Jens Wiegand von der örtlichen Bürgerinitiative gegen den Flughafenausbau. Im Moment ruhen die Sägen, doch im September gehe es weiter. Deshalb sei das Wochenende auch eine »Vorbereitung auf die neue Rodungssaison«.

Auf dem Programm stehen neben Vorträgen, Diskussionsrunden und Workshops auch Aktionstrainings und ein Konzert am Samstag. Über 100 Teilnehmer erwarten die Veranstalter, die hauptsächlich aus der Region kommen. Im Vorbereitungskreis sind verschiedene Bürgerinitiativen, Unterstützung kommt aber auch von lokalen Attac- oder Greenpeace-Gruppen.

Das Wochenende soll auch der Vernetzung dienen, denn nicht nur in Kelsterbach sind klimaschädliche Projekte geplant: In der Umgebung sollen eine Müllverbrennungsanlage, mehrere zusätzliche Autobahn-Kilometer und zwei neue Kohlekraftwerke gebaut werden. Bislang kämpft jede Initiative vor allem gegen das Projekt vor der eigenen Haustür, nun soll stärker zusammengearbeitet werden. Wiegand: »Das Klima-Thema ist der gemeinsame Nenner.«

Aber eignet sich das Thema auch für eine überregionale Mobilisierung? Als im letzten Jahr die Klimabewegung ausgerufen wurde, sind schließlich hunderte Aktive aus dem ganzen Land nach Hamburg gekommen. In diesem Sommer aber fehlt solch ein Groß-Event. »Unsere Strategie ist, die begrenzten Kräfte auf Kopenhagen zu konzentrieren«, sagt Tadzio Müller, der das letzte Klimacamp mitorganisiert hat. In der dänischen Hauptstadt wollen die Vereinten Nationen im Dezember ein neues Klimaschutzabkommen aushandeln, denn das Kyoto-Protokoll läuft im Jahr 2012 aus. Auch die Klima-Aktivisten möchten vor Ort sein, wenn über die zukünftige Klimapolitik entschieden wird.

Müller hofft, dass es dort zu einer »Initialzündung« kommt und die Klimabewegung noch größer wird. »Seattle-Effekt« nennt er das, und spielt damit auf eine Konferenz der Welthandelsorganisation WTO vor zehn Jahren an. Sie wurde abgebrochen, nachdem es zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gipfelgegnern und Polizei gekommen war. In den Jahren darauf hatte die globalisierungskritische Bewegung erheblichen Zulauf.

In Kopenhagen seien zwei große Aktionen geplant, berichtet Müller. Zum einen solle es eine Aktion gegen einen großen Kohlendioxid-Emittenten geben, zum Beispiel gegen ein nahe gelegenes Kohlekraftwerk. Zum anderen wollen die Umwelt-Aktivisten einen Tag lang die Konferenz übernehmen. Mit der »Kraft des Körpers« wolle man sich in das Konferenzgebäude drücken, heißt es im englischen Aufruf. Die Aktion soll gewaltfrei sein, auf Eskalationsversuche der Polizei werde man nicht reagieren. Im Gebäude soll dann die reguläre Sitzung unterbrochen und stattdessen über Klimagerechtigkeit diskutiert werden.

Im letzten Jahr interessierten sich plötzlich selbst Linksradikale für den Klimawandel. Ist das auch 2009 noch so? Viel zu hören war bislang nicht. Man wird wohl erst im Dezember in Kopenhagen sehen, wie stark die Klimabewegung ist.

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